Wie betet man in Krisenzeiten?

von Ursula Harter

Not lehrt beten. Eine Wahrheit, die das Jahr 2020 uns alle hier in Europa neu ge­lehrt hat. Wenn wir an eine Grenze sto­ßen, wenn wir nicht mehr alles im Griff zu haben scheinen, dann wenden wir uns an den, der außerhalb aller Grenzen und all unserer Kontrolle steht. Wir bringen alle Sorgen und alle großen und alle klei­nen Bitten vor diesen Gott. Und das ist auch richtig so, ja vielmehr ist genau das unsere Aufgabe als Christen, als die, die die Macht haben, Kinder Gottes zu sein (vgl. Joh 1,12). Das Erzbistum Berlin hat im August aber keinen großen Fürbitt­gottesdienst abgehalten, in welchem de­tailliert alle Sorgen und Nöte vorgetragen wurden. Nein, es hat eine Gebetstradition weitergeführt, die im vergangenen Jahr­hundert als Reaktion auf die vielen Krisen der Zeit entstanden ist: eine Weihe aller Menschen im Bistum an das Herz Jesu und Maria. Mit dieser Weihe wird uns gezeigt, wie man wirklich in Krisenzeiten beten sollte und dass es auch in Krisenzeiten im Letzten um unser Herz geht. Drei Punkte, wie die Weihe an das Herz Mariens uns beten lehrt:

1 Warum eine Weihe?

Die Weihe ist eine Gebetsform, die weit darüber hinaus geht, Gott in schwierigen Situationen um Hilfe zu bitten. Sich je­mandem zu weihen bedeutet, sich und die Situation ganz ihm zu überlassen. Ihn zum Handelnden zu erheben und nicht nur bei uns selbst die Lösung der Probleme zu su­chen. Die Weihe in einer Krise bedeutet, Gott zuzutrauen, dass Er im Jetzt und Hier unsere Wirklichkeit tatsächlich ändern wird. Dann ist es nicht mehr unsere Auf­gabe, uns zu sorgen und uns zu ängstigen (Mt 6,25-32). Dann können wir in diesem Vertrauen Leid annehmen, es konstruktiv in unser Leben einbeziehen und fruchtbar machen.

2 Warum das unbefleckte Herz Mariens?

In der Befremdung dieser Formulierung liegt auch die Chance, unseren Glauben neu zu entdecken. Erstens geht es bei die­ser Gebetspraxis nicht darum, eine nette Symbolik von „Herz zeigen“ und „Liebe schenken“ aufzubauen, um ein realitätsfer­nes Wohlgefühl zu erzeugen, sondern um eine Beziehung zwischen realen Personen. Maria wird nicht als Figur genommen und so und so interpretiert, sondern es wird mit ihr und zu ihr gesprochen und ihr persönlich das Leid der Zeit in die Hände gelegt. Es geht nicht darum, Hoffnungs­zeichen zu konstruieren, sondern Maria selbst persönlich zu vertrauen. Zweitens: Warum gerade Maria? Wegen ihres Her­zens. Es gibt zwei Stellen im Neuen Tes­tament, die vom Herzen Mariens spre­chen: Einerseits sind in ihrem Herzen die wunderbaren Erlebnisse der Geburt Jesu bewahrt und erwogen (Lk 2,19) und ande­rerseits durchdringt ihr Herz ein Schwert (Lk 2,35). Marias Herz ist sowohl der Sitz der vollkommenen Freude als auch der Sitz des absoluten Leids, weil sie vollen­det liebt. Die Mutter des Gottessohnes ist die, die Jesus bis unter das Kreuz be­gleitet, weil sie ihm ohne jeden Vorbehalt vertraut. Denn ihr Herz ist unbefleckt von Misstrauen und dem Anspruch, selbst das Leid zu verhindern und die Welt retten zu müssen. Maria lässt Gottes Willen ge­schehen. Wem könnte man sich besser in Krisenzeiten weihen, wenn man an Gottes gütige Wirkmacht glaubt?

3 Warum das Herz?

Das Herz ist der Sitz der Entscheidung. Das ist die urchristliche philosophische Entdeckung. Nicht Verstand, nicht In­stinkt, nicht allein Wille regieren den Menschen, sondern das, was er wirklich liebt. Unser Herz entscheidet über unsere Handlungen. Sich dem unbefleckten Her­zen Marias zu weihen bedeutet, sein Herz der Frau zu übergeben, die sich ganz für Gottes Wirken in der Welt entschieden hat. Es bedeutet, sich wie Maria zu ent­scheiden, dass sein Wille geschehe. Maria hat selbst alles Entscheidende dazu gesagt. Hören wir ihr zu: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan / und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht / über alle, die ihn fürchten. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: / Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.“ (Lk 1,46-55)

Der Abdruck erfolgt mit der freundlichen Genehmigung der Tagespost

( Erschienen in PM 153 4-2020, S. 7)

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