von Peter Salzer
I Kön 19, 11-13: Der HERR antwortete: Komm heraus und stell dich auf den Berg vor den HERRN! Da zog der HERR vorüber: Ein starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, ging dem HERRN voraus. Doch der HERR war nicht im Sturm. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Doch der HERR war nicht im Erdbeben. Nach dem Beben kam ein Feuer. Doch der HERR war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein sanftes, leises Säuseln. Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.
Eine wichtige Säule der erwachsenen Pfadfinder ist die tägliche Stille Zeit. – Der Rückzug aus der alltäglichen Beschäftigung und von den Mitmenschen, vom Lärm und Trubel unseres normalen Alltags. – Ist das wirklich notwendig, ist das nützlich und hilfreich? Und was soll ich da eigentlich so lange tun? Wie soll ich das bei meinen vielen Beschäftigungen durchhalten? Diese und viele weitere Fragen über Sinn und Zweck der stillen Zeit werden besonders von den dynamischen Jungs gestellt. Und sie fordern eine Antwort. Eine Antwort, die nicht nur für Pfadfinder, sondern für jeden Erwachsenen von Relevanz ist.
Was ist also Stille? Sie ist nicht nur das Wegfallen von Geräuschen, ein Fehlen von Schallwellen. Sondern Stille ist viel mehr. Sie ist ein freier Raum – ähnlich dem weiblichen Mutterschoß, der durch sein Leersein und seine Bereitschaft zum Empfangen fruchtbar werden kann.
Was mach ich denn nun in der stillen Zeit? Sind die Raider auf Wanderlager unterwegs, findet die stille Zeit meistens am Nachmittag an einem schönen Ort statt. Der Rucksack wird abgestellt, jeder holt seine Isomatte raus, geht auf ein bisschen Abstand an ein schattiges, bequemes Plätzchen und bekommt einen Text zur Hand: entweder von einem Heiligen oder etwas aus der Heiligen Schrift selbst, manchmal mit ein paar zusätzlichen Fragen. Wie wirkt der Text auf mich? Was ist seine Aussage? Was hat das mit meinem Leben zu tun? Während der Körper von den Wanderstrapazen ausruht, hat der Raider jetzt Zeit, die Seele baumeln zu lassen und geistlich aufzutanken. Er geht auf Distanz von seiner alltäglichen Beschäftigung und hat Zeit, seinen momentanen Kurs zu überprüfen. Am Anfang steht das Gebet zum Heiligen Geist, Gott selbst soll uns Lehrer und Führer sein. Es ist jedoch nicht verpflichtend, unbedingt über den Text nachzudenken – viele nutzen die Zeit für eine ausführliche Gewissenserforschung, denken nach über den letzten Tag bzw. nutzen die Gelegenheit, um mit Abstand von ihrem Alltag diesen mal kritisch unter die Lupe zu nehmen, oder genießen den Blick auf die Berge und die Wolken. Oft mündet die stille Zeit am Ende in ein persönliches Gebet. Mit gezücktem Stift wird anschließend das Wichtigste festgehalten. Manchmal nickt auch einer der Jungs weg und macht nach einem kurzen Nickerchen weiter.
Aber im Alltag – wie soll das denn gehen? Ja, es ist in der Fahrtengruppe viel leichter – schließlich schweigen alle, die Zeit ist fix reserviert und einen Text bekomme ich auch an die Hand. Um diese Klippe zu umschiffen, gibt es natürlich auch ein paar Tipps:
- 1. Die stille Zeit fest in den Alltag einplanen. Gut, vielleicht ist es am Wochenende ein anderer Rhythmus. Aber sich unter der Woche eine fixe Zeit nehmen – sei es früh vor dem Frühstück bzw. vor Arbeit und Studium oder nach vollbrachten Tageswerk am Abend oder auf Nacht.
- 2. Auch der Ort spielt für uns Menschen eine wichtige Rolle. Ein ritualisiertes Vorgehen – im eigenen Zimmer/Garten, im gleichen bequemen Stuhl, mit einem Gebet beginnend – ist sehr hilfreich. Weg vom Smartphone, PC, Lärm und anderen Ablenkungen. Ein aufgeräumtes Zimmer oder ein schöner Platz helfen zur Entspannung und zur Konzentration.
- 3. Viele wissen nicht, was sie tun sollen. Für den Anfang ist es hilfreich, das Leben Jesu aus den Evangelien am Stück zu lesen – oder vielleicht das Tagesevangelium per App. Andere lesen das Leben eines spannenden Heiligen oder fragen ihren geistlichen Begleiter, ob er nicht einen passenden Lektüretipp für ihn hat. An guten Büchern mangelt es sicher nicht. Wen in meiner Umgebung kann ich fragen?
Ps 62 (61)2Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe,von ihm kommt mir Hilfe.3Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg;darum werde ich nicht wanken.4Wie lange rennt ihr an gegen einen Einzigen,stürmt alle heran wie gegen eine fallende Wand,wie gegen eine Mauer, die einstürzt?5Ja, sie planen, ihn von seiner Höhe zu stürzen;Lügen ist ihre Lust. Sie segnen mit ihrem Mund,doch in ihrem Herzen fluchen sie. 6Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe;denn von ihm kommt meine Hoffnung.7Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg;darum werde ich nicht wanken.8Bei Gott ist mein Heil, meine Ehre;Gott ist mein schützender Fels, meine Zuflucht.9Vertrau ihm, Volk (Gottes), zu jeder Zeit!Schüttet euer Herz vor ihm aus!Denn Gott ist unsere Zuflucht. 10Nur ein Hauch sind die Menschen,die Leute nur Lug und Trug. Auf der Waage schnellensie empor, leichter als ein Hauch sind sie alle.11Vertraut nicht auf Gewalt, verlasst euch nicht auf Raub!Wenn der Reichtum auch wächst, so verliert doch nichteuer Herz an ihn! 12Eines hat Gott gesagt, zweierlei habe ich gehört:Bei Gott ist die Macht;13Herr, bei dir ist die Huld. Denn du wirst jedem vergelten,wie es seine Taten verdienen.
Und wie die Zeit finden? Als Mutter Teresa nach einer schweren Naturkatastrophe um die Unterstützung durch ihre Schwestern gebeten wurde, hat sie gleich Hilfe zugesagt: „Es ist so viel zu tun, es gibt so viel Leid – sollen wir die Gebetszeit verkürzen?“ Klingt eigentlich plausibel, oder? Jedoch wollte Mutter Teresa die Zeit nicht verkürzt, sondern eher verlängert wissen. Warum das? Sie hat gewusst, dass die Schwestern erstens Kraft brauchen – sie sollen nicht nur als Sozialarbeiter helfen, sondern echte christliche Nächstenliebe ausstrahlen. Und dafür muss Christus im Herzen leben, muss man bei Ihm sein in der Stille und Einsamkeit. Und dann mit ihm rausgehen. Zweitens hilft der Rückzug aus dem Alltag, um das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Das Unwesentliche wird identifiziert, kann weggelassen werden – und ZACK hat man plötzlich viel mehr Zeit. Bei mir ist zum Beispiel überflüssiger Fernseh- und Computerkonsum weggefallen – und schon hatte ich täglich mehrere Stunden. Ich habe beschlossen, für tägliche Bewegung zu sorgen und bin mit dem Rad zur Uni gefahren – und war so viel aufgeschlossener für das Studium. Drittens wird ein Bogen, der dauerhaft gespannt ist, irgendwann seine Spannkraft verlieren und brechen. Wir Raider gönnen uns das notwendige Fliehen aus dem Hamsterrad.
Es bleibt ein täglicher Kampf. Aber es lohnt sich. Gerade der Rhythmus von stiller Zeit und anschließender Gemeinschaft gestaltet den Alltag viel schöner. Auf Fahrt, auch daheim. Probiere es aus!
Die Frucht der Stille ist das Gebet.
Die Frucht des Gebetes ist der Glaube.
Die Frucht des Glaubens ist die Liebe.
Die Frucht der Liebe ist das Dienen.
Die Frucht des Dienens ist der Friede.
(Mutter Teresa)
( Erschienen in PM 152 3-2020, S. 4 – 5)
Richtigstellung: In der Druckversion wurde irrtümlich „Josef Faschinger“ als Autor dieses Artikels angegeben.
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