Wo wollt ihr hin, ihr tollen Mädels? Wir wissens nicht, ins ferne Land!
von Luitgard Hageböck
Wir wussten es tatsächlich nicht, nur Judith hatte gemeinsam mit Magdalena eine tolle Fahrt geplant, organisiert und mit uns durchgeführt.
Am 14. Mai starteten aus ganz Deutschland 16 Pfadfinderinnen, Jason als Kuratenbegleiter und P. Stefan Linder in ein wirkliches Abenteuer. Am Flughafen erwartete uns die große Überraschung: Wo ging es denn nun hin? Im Voraus wurden alle möglichen Theorien und Vermutungen aufgestellt, doch schließlich ging es nicht nach Panama, nicht nach Schweden, nicht nach Island und auch nicht auf die Kanaren, sondern… nach SIZILIEN!
Im Zurückblick auf meine Zeit als Wölfling und als Pfadfinderin wurde mir bewusst, dass mein Gepäck noch nie so leicht war wie dieses Pfingsten! „Die Pfadfinderin ist sparsam und einfach und behandelt fremdes Gut sorgfältig!“
Gelandet in Sizilien, hatten zwei aus unserer Gruppe das Vergnügen, die ersten zwei Tage noch einfacher zu leben! Ihr Gepäck schaffte es in Rom nicht mehr rechtzeitig in den nächsten Flieger nach Catania umgeladen zu werden… die erste Überraschung auf unserer Überraschungsfahrt! So mussten die beiden einen Tag länger in der Stadt bleiben und sich irgendwie durchschlagen, bis auch ihr Gepäck endlich ankam. Derweil fuhr der Rest an der Ost- und Nordküste Siziliens mit dem Zug bis St. Stefano entlang. Von hier ging es hoch in die Berge, in den Nebrodi Naturpark, denn hier sollten uns unsere ersten vier Wandertage erwarten. Ganz überrascht waren wir alle, als es abends richtig kühl wurde. Eigentlich ja auch kein Wunder – auf einer Höhe von über 1000 m; nur hatte die Hälfte unserer Fahrtenrunde am Flughafen schnell ihre warmen Jacken (aus Gewichtsgründen) wieder ausgepackt, als sie hörten, dass es nach Sizilien geht. Ein Fehler, der uns sicher nicht mehr passieren wird!
Die nächsten drei Tage genossen wir bei strahlendem Sonnenschein eines der grünsten Gebiete Siziliens. Außergewöhnliche Blumen und uns unbekannte Eichen-, Buchen- und Kiefernarten erhellten unsere Gesichter immer wieder. Denn es kam nicht selten vor, dass unser Wanderweg plötzlich im Gestrüpp endete; unsere Fährte führte dann wortwörtlich durch Dick und Dünn. Den Naturpark durchwandert, wollten wir nun eigentlich auf vier Rädern das weite Tal hin zum Ätna durchqueren, um dort unserer Wanderung fortzusetzen. Heute regnete es zum ersten Mal auf unserer Fahrt. Uns machte dies nicht viel aus. Immerhin kamen so unsere Ponchos wenigstens auch einmal zum Einsatz 🙂 Außerdem bekam dadurch P. Stefan seine erste Möglichkeit, die Hl. Messe unter einer Brücke zu feiern… So verpassten wir den einzigen Linienbus und machten uns nach der Mittagspause zu Fuß auf den Weg das Tal entlang. Pitschnass gingen wir in der nächst größeren Ortschaft in die Kirche, um für eine Fahrgelegenheit zu beten. Währenddessen versuchten es Judith und Sonja im Gemeindehaus und P. Stefan mit Magdalena beim Ortspfarrer. So kam es nicht von ungefähr, dass kurz drauf ein Schulbus extra für uns vor die Kirche fuhr. Noch besser, wir mussten nicht mal etwas für die Fahrt bezahlen, denn dies übernahm der Bürgermeister für uns.
Zuerst wurden wir zum Einkaufen gefahren, eigentlich schon Luxus pur auf einer Fahrt. Doch noch nicht genug: Der Busfahrer ließ uns nicht in der nächsten Stadt aussteigen; nein, er fuhr uns über Stock und Stein einen sehr holprigen Waldweg entlang, direkt zu unserer neuen Wanderroute.
Angekommen an unserem ersten Refugio wurden wir gleich mit einer neuen Herausforderung konfrontiert, die wir die nächsten Tage rund um den Ätna noch öfters haben sollten: Trinkwasser! Wir fanden zwar unseren geplanten Übernachtungsplatz, doch leider bestand das Refugio (eine offene Zufluchtshütte für Wanderer) nur aus einem kleinen Zimmer, angebunden an ein zugeschlossenes Forsthaus. Einen Brunnen konnten wir trotz langem Suchen nicht finden. Da fand Alina plötzlich mitten im Wald einen Schlüssel. Kaum zu glauben aber wahr: der Schlüssel passte und im Forsthaus entdeckten wir sogar eine Zisterne! Für was eine Quicknovena nicht alles gut sein kann. 🙂
Die nächsten Tage führte uns der Rundweg um den Ätna meist über unterschiedliches Lavagestein und nur selten durch kleinere Wälder. Verstärkter Wind und erhöhte Lage merkten wir bald am Klima. Die folgende Nacht teilten wir uns mit einem Einheimischen eine Refugio Hütte. Als er mit uns zu Abend aß und es wie jeden Tag auf Fahrt Nudeln mit Fertigsoße gab, waren wir umso verwunderter, dass er das Essen in den höchsten Tönen lobte und unbedingt das Rezept haben wollte.
Was wäre eine Überraschungsfahrt ohne eine wirkliche Überraschung? Bereits während unserer Route durch den Naturpark Nebrodi waren wir an einem Mittag alle ganz begeistert, denn es stieg richtig viel Rauch vom Krater des Ätna auf. Auch jetzt waren wir überzeugt, dass der Rauch sich leicht rötlich färbte und wir es zudem noch rumsen hörten.
Wir entschlossen uns, vom Refugio aus eine Tagestour auf den Ätna zu machen. Der Nebel erlaubte uns nur sehr selten einen kleinen Ausblick über die schöne Lavagegend. Auch erwiesen sich die Ponchos als guter Schutz gegen den eisig schneidenden Wind. Kurz vor unserem Ziel, einem Krater, wurden einige von uns mehrere Male vom Wind wortwörtlich umgeschmissen, wenn wir uns nicht schon selbst kurz vor einer starken Böe auf den Boden setzten. Sehr langsam aber dennoch erreichten die meisten den Krater…
Wie wir im Nachhinein hörten, war beide Male der Ätna sogar aktiv und eine Tour auf Gipfelhöhe wäre unmöglich gewesen.
Um nach einer Viertageswanderung rund um den Ätna wieder in die nächstgrößere Stadt zu kommen, beschlossen wir – mehr oder weniger erfolgreich – Mitfahrgelegenheiten zu nutzen. Für den Abschluss hatte sich Judith noch eine unbeschreiblich schöne typisch sizilianische Gegend ausgesucht. Nachdem wir ein selbstzubereitetes landestypisches Gericht gekocht hatten, legten wir uns alle müde, aber glücklich in unsere Schlafsäcke. Wir hatten einen 5-Sterne-Übernachtungsplatz: Oberhalb einer Schlucht, vor uns in weiter Ferne den glühenden Ätna, über uns einen herrlichen Sternenhimmel und ein angenehmes, warmes Klima. Einfach perfekt!!!
Am nächsten Morgen stiegen wir zu der Schlucht ab, wo wir in türkisfarbenem, klarem und warmem Wasser nach 10 Tagen wandern viel Spaß hatten. Zuletzt kehrten wir in Cassibile noch in ein sizilianisches Restaurant ein, ehe wir den Rückweg nach Catania antraten und dort nach einer feierlichen Messe in einer Pfarrkirche den letzten gemeinsamen Abend mit frischen Melonen ausklingen ließen.
12 Tage verbrachten wir gemeinsam auf Sizilien und für jeden von uns werden dies unvergesslich schöne Tage bleiben. Am Ende waren wir uns alle sicher, dass das nicht unsere letzte Fahrt gewesen sei.
Gut Pfad
Luitgard Hageböck
(Erschienen in PM 137 3/2016, S. 11-13)
Wenn sie die KPE finanziell unterstützen möchten, so bitten wir um eine Überweisung auf unser Spendenkonto: IBAN DE92 5065 2124 0029 0005 93 BIC HELADEF1SLS oder klicken sie hier: