Taufe auf türkisch

von Stefan Matthei

Freudestrahlend reicht mir Serkan die Hand zum Pfadfindergruß. Sein Lächeln offenbart seine Vorfreude auf den morgigen Tag und ist irgendwie ansteckend. Morgen ist nicht nur das christliche Hochfest Pfingsten, sondern auch die Taufe, Erstkommunion und Firmung von zehn erwachsenen Katechumenen in der katholischen Kathedrale der türkischen Metropole Izmir. Serkan ist mit 19 Jahren einer der jüngsten. Fünf Jahre lang hat er sich im Katechumenat und in Begleitung eines Priesters auf diesen Tag vorbereitet. Gleich im Anschluss an die Pfingstmesse möchte er sein Pfadfinderversprechen ablegen. Auf seine Einladung hin haben wir unsere diesjährige Pfingstfahrt in die Türkei verlegt. Um einerseits bei seiner Taufe und seinem Pfadfinderversprechen dabei zu sein und andererseits auf den Spuren des heiligen Paulus durch das türkische Hochland zu wandern.

Nur 0,2 % sind Christen

Doch bevor wir das morgige Pfingstfest begehen, wollen wir mit den katholischen Pfarrgemeinden aus Izmir und Ephesus an einer Pfingstvigil am Hause der Jungfrau Maria teilnehmen. In diesem Hause soll Maria nach dem Tode Jesu der Überlieferung nach zeitweise gewohnt haben. Als historisch gesichert gilt, dass in Ephesus der Leichnam des Apostels Johannes begraben liegt. Die Pfarrgemeinde fährt gemeinsam mit dem Bus dorthin. Unterwegs wird der Rosenkranz gebetet. Auf türkisch natürlich. Obwohl wir einen Zettel mit dem Text des Rosenkranzes ausgeteilt bekommen, tun wir uns sichtlich schwer mit der richtigen Aussprache. Als wir am Haus der Jungfrau ankommen, gibt es die erste kleine Überraschung: Die Prozession und die Vigil wird durch bewaffnete Militärsoldaten begleitet. Offenbar aus Angst vor Übergriffen oder Anschlägen, wie etwa die Ermordung von Bischof Padovese im Jahre 2010. Damals ein großer Schock für die türkischen Christen. Bei uns verläuft allerdings alles sehr ruhig und friedlich. Weniger als 0,2 % der türkischen Bevölkerung sind Christen. Dementsprechend ist es auch eine kleine Herde, die sich hier versammelt hat. Und eine bunt gemischte: Ein Priester kommt aus Polen, einer aus Italien. Ich spreche mit einer Amerikanerin, die eine Zeit lang in Österreich gelebt hat und es jetzt hierher verschlagen hat. Und mit einem Türken, der mehrere Jahre in Deutschland gelebt hat. Einige Christen sind Nachfahren von italienischen Kaufmännern, die vor einigen Jahrhunderten zur Zeit von blühenden Handelsbeziehungen der Türkei und Italien in die Gegend von Izmir gekommen waren.

Pfingstlicher Rosenregen

Am nächsten Tag findet das Hochamt mit dem italienischen Bischof in Izmir statt. Die Liturgie, sowie die Taufe, die Firmung und die Erstkommunion der Katechumenen sind sehr ergreifend. Als die Gemeinde vom Taufbecken in den vorderen Teil der Kirche zieht, regnet es von der Empore Rosenblätter, die – ähnlich wie im Pantheon in Rom – die Feuerzungen symbolisieren sollen, die auf die Jünger am Pfingsttag herabgekommen waren. Direkt im Anschluss empfangen wir Serkan im Pfarrgarten, wo er sein Pfadfinderversprechen ablegt. Für diesen Anlass wurde der Text des Pfadfinderversprechen extra ins Türkische überführt und von der UIGSE, dem internationalen Dachverband der KPE, genehmigt. Serkan ist nämlich der erste katholische UIGSE-Pfadfinder in der Türkei. Gefeiert wird das Pfingstfest in Izmir nicht nur liturgisch. Einige fleißige Helfer bereiteten im Vorfeld ein großes Buffet für die ganze Gemeinde vor. Wir sind als Gäste natürlich auch eingeladen. Nachdem wir kräftig zugeschlagen haben, laden uns der Priester und der Bischof noch zu einem italienischen Mehrgänge-Menü ein. Wir freuen unsnatürlich über die Einladung, könnenjedoch die rauen Mengen an Essen, dieuns der Koch vorsetzt, nicht vollständig verzehren. Der Priester bietet uns am späten Nachmittag an, dass wir noch eine Nacht bleiben können. Doch wir lehnen dankend ab. Wir wollen uns ja noch auf die Spuren des heiligen Paulus begeben. Dazu müssen wir noch ein gutes Stück durch die Türkei trampen. Serkan begleitet uns noch bis zum Stadtrand, wo wir uns verabschieden und unsere eigentliche Fahrt beginnt.

„Ich komme gerade vom Mount Everest“

Die Türken sind nicht nur gastfreundlich, sondern nehmen auch offenkundig gerne Anhalter mit. So haben wir keine großen Schwierigkeiten in Zweier-Gruppen die 400 Kilometer nach Egidir zu kommen. Lediglich eine Gruppe muss ein Stück mit dem Bus zurücklegen. Beim Trampen lernen wir Mehmet kennen, der uns in seinem LKW ein Stück mitnimmt. Da sein Führerhaus mit roten Teppich ausgelegt ist, müssen wir die Schuhe ausziehen. Leider kann er kein Englisch. Wir verständigen uns mit Händen und Füßen. Ein anderer Fahrer ist Bergsteiger von Beruf und kommt gerade vom Mount Everest. Dort hat er den „Mount-Everest-Marathon“ erfolgreich absolviert. Er erzählt uns auch, dass der Paulus- Trail eine sehr schöne Wanderstrecke ist. Das steigert unsere Vorfreude auf unsere Wanderung. Die Wettervorhersage, die er uns mitteilt, hinterlässt allerdings eher gemischte Gefühle.

Zu Fuß durchs grüne Hochland

Ab Egidir wieder vereint, geht es gemeinsam die nächsten Tage durch das türkische Hochland. Unterwegs treffen wir zwar keine weiteren Wanderer, aber dafür viele freundliche Einheimische, die hier vorwiegend von der Landwirtschaft und der Viehzucht leben. Englisch oder Deutsch kann hier praktischkeiner. Gut, dass wir einen kleinenSprachführer dabei haben, der uns beim Nötigsten weiterhilft. Die Gegend ist grüner als wir uns das vorgestellt hatten. Obendrein gibt es erfreulicherweise auch mehr Wasser zum Trinken und zum Baden als erwartet. Gerade an den heißen Tagen eine willkommene Abkühlung.

Antalya – Hochburg der Touristen

Unseren letzten Tag verbringen wir in Antalya, der Touristenhochburg direkt am Mittelmeer. Der deutsche Pfarrer Ludger von der örtlichen katholischen Gemeinde gibt uns eine kleine Stadtführung, einen Crashkurs zur aktuellen politischen Situation in der Türkei und zeigt uns seine Kirche: Ein ehemaliges Internetcafe, das zu einer Art Hauskirche umgebaut wurde. Hier dürfen wir gemeinsam heilige Messe feiern, bevor es bei sommerlichen Temperaturen (fast 40 Grad) zum Schwimmen an den Strand geht. Am Nachmittag heißt es dann auch schon Abschied nehmen von Pfarrer Ludger und etwas später auch von der Türkei. Denn in aller Frühe gehen am nächsten Morgen unsere Flieger. Zurück bleiben tiefe Eindrücke von der türkischen Landschaft, der Kultur und von den dortigen Christen, die uns ein Beispiel gegeben, dass nicht die Größe der Herde entscheidend ist, sondern die Freude am Glauben und der Zusammenhalt untereinander.

(Erschienen in PM 140 2-2017, S. 18-20)

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