Sich verlassen. Auf Maria.

Marienweihe als „Geheimnis“ der KPE

von P. Markus Christoph

Warum heißt unsere Zeitschrift „Pfadfin­der Mariens“? Ist das einfach ein frommer Titel, der gut klingt? Als die KPE 1976 gegründet wurde, hat die erste Genera­tion von Pfadfindern den neuen Bund ausdrücklich dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Seither wurde die Wei­he immer wieder erneuert. Bei vielen Gelegenheiten hat P. Hönisch betont, die Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens sei das „Geheimnis der KPE“. Was hat es damit genau auf sich?

WARUM EINE WEIHE UND NICHT EINFACH DIE BITTE UM SCHUTZ?

Maria, breit den Mantel aus…, Segne du, Maria…, Meerstern, ich dich grüße, o Ma­ria hilf… Es gibt unzählige Lieder, in denen wir Maria um ihren Schutz anrufen. Das ist eine alte und gute Tradition. Eines der ältesten Mariengebete beginnt „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesgebärerin.“ Aber eine Weihe an Maria ist mehr als die bloße Bitte um Schutz; sie ist mehr als nur ein Ausdruck von Vertrauen. Wer sich Maria weiht, schenkt sich ihr, macht sich zu ihrem Eigentum, überlässt sich ganz ihrer mütterlichen Führung. Das bekannte Schönstätter Weihegebet an Maria endet mit: „…weil ich also dir gehöre, o gute Mutter, bewahre mich, beschütze mich als dein Gut und Eigentum.“ Sich Maria zu weihen, bedeutet, sich Maria zu schenken, und zwar ganz. To­tus tuus („ganz dein“) war das Papstmotto von Johannes Paul II. Er hatte sein Pontifikat ganz Maria geweiht. Er bat Maria nicht nur um ihren Schutz, sondern verstand sich als ihr persönliches Eigentum.

Sich jemandem zu schenken, ist eine Frage von Liebe; Geschenke tauscht man unter Freunden. Jemanden um Hilfe bitten kann äußerlich bleiben. Wir rufen den Elektri­ker um Hilfe, oder die Polizei, oder notfalls auch den Pfarrer. Aber wir schenken uns nicht dem Elektriker und wir weihen uns nicht der Polizei, obwohl sie unser „Freund und Helfer“ ist. Aber Ehepaare schenken sich gegenseitig; im Ehebund „weihen“ sie sich einander. Und Kinder dürfen sich – im positiven Sinn – als Eigentum ihrer Eltern ver­stehen (was freilich auch missbraucht werden kann). Wer sich Maria weiht, wendet sich nicht an eine neutrale Versicherungsagentur, sondern übergibt sich in Liebe der persön­lichen Fürsorge einer Mutter, damit sie uns an der Hand nimmt, damit sie unser Leben in ihre Hand nimmt und es mit ihrem viel größeren Weitblick auf guten Wegen lenkt.

Wer sich Maria weiht, verlässt sich… ganz auf Maria. Wir dürfen das wörtlich nehmen: Man „verlässt sich“ – das ist der erste Schritt. Man tritt aus sich heraus, gibt sich aus der eigenen Hand, setzt seine Erwartung nicht auf die eigene Kraft und Kontrolle. Man verlässt sich… und zwar auf Maria. Das Sich-selbst-verlassen hat eine Richtung und ein Ziel, nämlich hin zu Maria. Es geht nicht um Selbstskepsis oder Selbstzweifel um des Zweifels willen, sondern um Selbstrelativierung, weil wir uns auf jemanden stützen, der größer ist, besser ist, weiter sieht. Wir verlassen uns auf Maria. Das meint das Sich-Schenken an Maria. Das ist Marienweihe.

WARUM MARIA UND NICHT JESUS?

Sich Maria zu weihen bedeutet, sich Ma­ria zu schenken. Warum Maria und nicht Jesus? Wäre es nicht besser, sich Jesus zu schenken – wie es in der Weihe an das göttliche Herz Jesu ja auch geschieht?

Man kann die Weihe an Jesus und Maria nicht gegeneinander ausspielen. Ja, Jesus steht im Zentrum unseres Glaubens. Er ist der Messias (nicht Maria). Er ist der Gottmensch (nicht Maria). Er hat uns er­löst (nicht Maria). Aber Gott wollte uns den Messias schenken – nicht ohne Maria. Gott wollte Mensch werden – nicht ohne Maria. Und er wollte uns erlösen – nicht ohne Maria. Es war SEIN Plan, der Welt das Heil zu schenken durch das Mitwir­ken von Maria. Maria ist das Urbild des erlösten Menschen. An keinem Menschen hat der Erlöser Größeres vollbracht als an ihr, und darum ist sie der größte Lobpreis seiner Barmherzigkeit. Wer Maria preist, preist in Wirklichkeit Jesus. Wer sich Maria anvertraut, vertraut sich Jesus an. Wer sich Ma­ria angleicht, gleicht sich Jesus an. Der heilige Papst Johannes Paul II. zitiert in Rosari­um Virginis Mariae die schönen Worte: „Unsere ganze Vollkommenheit besteht darin, gleichförmig mit Christus Jesus, geeint und geweiht an ihn zu sein. Jedoch die vollkom­menste aller Formen der Hingabe ist unbestreitbar jene, die uns noch vollkommener mit Christus gleichgestaltet, vereinigt und uns ihm weiht. Da Maria das Geschöpf ist, welches am meisten Christus gleichgestaltet ist, folgt daraus, dass unter den Frömmigkeitsformen jene, die eine Seele besser unserem Herrn gleichgestaltet und ihm weiht, die Marienver­ehrung ist, die Verehrung seiner heiligen Mutter, und dass umso mehr eine Seele ihr geweiht ist, sie auch mehr Jesus Christus selbst geweiht ist.“ (Rosarium Virginis Mariae (2002), Nr. 15) Wenn wir uns Maria weihen, folgen wir dem Beispiel Jesu. Gott hat sich Maria als seine Mutter erwählt (in seiner menschlichen Natur). Er hat sich als Mensch ganz ihr anvertraut; er wollte als Kind ganz ihr gehören; er hat sich ihr geschenkt. Jesus hat sich Maria „geweiht“. Wir ahmen nur Jesus nach, wenn wir uns gleichfalls Maria weihen.

Es gibt noch einen zweiten Grund für die Weihe an Maria: Wir erkennen damit an, dass wir niemals allein zu Jesus kommen. Glaube gibt es nur vermittelt durch andere. Durch Mitmenschen, durch Heilige, durch Maria. Niemand glaubt allein. Niemand findet den Weg zu Jesus ohne menschliche Wegweiser, Landkarten, Bergführer. Wir werden von Eltern, Freunden, Omas, Religionslehrern, Gruppenführungen, Pfarrern… in den Glauben eingeführt. Wir glauben, weil wir uns anderen Gläubigen anvertrauen konnten; weil sie für uns authentische Zeugen einer größeren Wirklichkeit waren. So hängt unser Glaube immer von anderen Menschen ab, von unseren Vorfahren, von den Heiligen und ganz besonders von Maria. Indem wir uns ihr weihen, bringen wir bewusst zum Aus­druck, dass unser Glaube an Jesus von ihrem starkmutigen Glauben abhängt.

WARUM EINE WEIHE AN DAS UNBEFELCKTE HERZ MARIENS?

Die Verbreitung der Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens geht auf die Marienerschei­nung in Fatima zurück. Dort zeigte die Muttergottes am 13. Juni 1917 den Seherkindern ihr Unbeflecktes Herz als „Hort und als Weg, das […] zu Gott führen wird.“ Warum das Herz Mariens? Das Herz steht für die Mitte einer Person. Wenn uns etwas „zu Herzen geht“, betrifft es uns ganz persönlich. Sich dem Herzen Mariens zu weihen, bedeutet, sich Maria als ihr besonderes Herzensan­liegen anzuvertrauen. Sie soll auf uns ach­ten als ihren persönlichen Schatz, wie für jemanden, der ihr besonders am Herzen liegt. Redeweisen wie „etwas im Herzen tragen“, „etwas von Herzen bedauern“, „herzliche Grüße“ sind kein frommer Jargon, sondern bis heute Ausdrücke, die eine besondere Beziehung andeuten. Ge­nauso so versteht sich die Weihe an das Herz Mariens.

Die Weihe gilt zusätzlich dem Unbefleck­ten Herzen Mariens. Maria war ganz ohne Sünde; durch göttliche Gnade wurde sie selbst vom Makel der Erbsünde verschont. Tota pulchra es, Maria, et macula origina­lis non est in te. – „Ganz schön bist Du, Maria, und der Makel der Erbschuld ist nicht in dir.“ So singt ein altes christliches Lied in Anlehnung an einen biblischen Text in Hld 4,7. Durch die Weihe schen­ken wir uns Maria, weil wir wissen, dass jede ihrer Handlungen, jeder ihrer Gedan­ken ganz im Gleichklang mit dem Willen ihres Sohnes stand und steht. Wenn sie uns anschließend als ihr Eigentum be­trachtet und führt, wird sie es immer auf den Wegen Gottes tun, denn ihr Herz ist ganz rein, makellos, durchsichtig auf den Willen Gottes hin. Darum ist die zusätz­liche Erwähnung der Unbeflecktheit des Herzens Mariens kein unnötiges theologi­sches Detail, sondern geradezu die Grund­lage unserer vertrauensvollen Übergabe an Maria.

WARUM IMMER WIEDER?

Bei KPE-Wallfahrten wird immer wieder die Weihe unseres Bundes an das Unbe­fleckte Herz Mariens erneuert. Viele von uns erneuern jeden Tag ihre Weihe an Maria. An ihr Unbeflecktes Herz. Eine Weihe ist so wenig ein einmaliger Akt, wie eine gute Ehe aus dem einmaligen Trauversprechen am Hochzeitstag be­steht. Die Ehe bewährt sich im Alltag. In der täglichen, stündlichen Bereitschaft, für den anderen da zu sein, sich dem anderen zu schenken im sicheren Wissen, dass um­gekehrt das gleiche gilt. Genauso bei der Weihe. Selbst die regelmäßige Erneue­rung der Weihe bei KPE-Treffen ist eher symbolische Geste für eine Grundhaltung, die das Leben unserer Gruppen prägen soll: Die KPE gehört der Muttergottes. Die KPE ist ihr „Projekt“, wir haben ihr unsere Zukunft anvertraut, und verstehen uns selber als ihre „Mitarbeiter“. Damit wird die Weihe ganz konkret: Beispielsweise trage ich die Sorge um die Durchführbarkeit einer Aktion in Coronazeiten so nicht mehr alleine, sondern weiß mich getragen von Maria. Auch mit dem Frust für coronabedingte Absagen bin ich nicht alleine. Mein Bangen um passendes Wetter wird nicht zur unerträglichen Nervenprobe, sondern ich vertraue darauf, dass Maria alles im Griff hat bzw. sie sehr wohl weiß, warum Regen gut für uns ist. Und bei Spannungen in meiner Gruppe bin ich nicht der einzige, der Verantwortung trägt (natürlich auch), sondern ich bin mir bewusst, dass ein gütiges Mutterherz von oben den Überblick bewahrt und aus jeder Situation etwas Gutes wirken kann… Das alles bedeutet natürlich kein Abwälzen der eigenen Verantwortung, die jeder innerhalb seiner Gruppe trägt. Aber es ermöglicht uns in der Gruppenarbeit eine inne­re Gelassenheit, die sich von einer höheren Macht getragen weiß. Genauer: von einem Mutterherzen. Die beständige Erneuerung der Weihe erinnert uns daran, dass es nicht um den einmaligen Abschluss eines Kaufvertrags geht, sondern um eine Grundvertrau­enshaltung des Herzens, in allen Situationen.

EIN NEUER GEBETSTEXT ZUR MARIENWEIHE

Es gibt viele schöne Weihegebete an Maria. Jedes hat seinen Wert, jedes bringt einen besonderen Blickwinkel zum Ausdruckt, wie bei einem Blumenstrauß, bei dem jede Blu­me anders und doch unverzichtbar ist. Diesem Strauß der Marienweihen haben wir ein neues Gebet hinzugefügt (inspiriert durch ein schon bestehendes Gebet der Jugend 2000). Wir wollen damit besonders zum Ausdruck bringen, dass unser ganzes Tun und Sein Maria geschenkt sein soll, damit sie Jesus in uns wachsen lässt. Dazu möge sie uns seine Liebe ins Herz schenken, uns seine Gedanken denken lassen, unser Handeln mit seinem Segen fruchtbar machen, unsere Pläne auf sein Reich ausrichten, unsere Fehler mit sei­nen Tugenden ersetzen, unsere Probleme mit seinen Leiden verbinden usw. Gleichzeitig ist Maria ganz besonders für uns als Pfadfinder ein Vorbild: Getreu dem Wahlspruch der Wölflinge „Unser Bestes“, hat sie bei allen Gelegenheiten ihres Lebens mit der Gnade Gottes mitgewirkt. Getreu dem Wahlspruch der Pfadfinderstufe „allzeit bereit“, war sie spontan für die Botschaft des Engels bereit, Mutter des Messias zu werden. Getreu dem Wahlspruch der Ranger und Rover „Ich diene“, ist sie durch das Bergland von Judäa ge­eilt, um ihrer Verwandten Elisabeth bei der Vorbereitung der Geburt des Johannes zu dienen. Aus diesem besonderen „pfadfinderischen“ Blickwinkel wollen wir uns und alle Gruppen der KPE dem Unbefleckten Herzen Mariens weihen – und alle Leser herzlich (!) einladen, diese Weihe der KPE an Maria mit zu vollziehen. Am besten täglich! Damit wir auch zukünftig „Pfadfinder Mariens“ sind und bleiben.

O Maria, Mutter Gottes und Jungfrau,
Jesus hat dir am Kreuz seine Jünger als Kinder anvertraut. Auch wir nehmen dich voll Vertrauen als unsere Mutter an. Jeder einzelne von uns, [unser Stamm/Gruppe X] und die ganze Katholische Pfadfinderschaft Europas weihen sich dir und deinem Unbefleckten Herzen, damit du uns immer mehr mit Jesus verbindest und uns ihm ähnlich machst:
Dir schenken wir unser Herz: Entzünde in uns SEINE Liebe.
Dir schenken wir unseren Geist: Präge uns SEINE Gedanken ein.
Dir schenken wir unser Gemüt: Lass in uns SEINE Gesinnung wachsen.
Dir schenken wir unser Tun: Segne jede Tat mit SEINER Fruchtbarkeit.
Dir schenken wir unsere Pläne: Richte sie aus auf das Kommen SEINES Reiches. 
Dir schenken wir unsere Fehler: Ersetze sie durch SEINE Tugenden.
Dir schenken wir unsere Schwierigkeiten und Leiden: Vereinige sie mit SEINEN Leiden, zum Heil der Welt.
Dir schenken wir alle, die uns anvertraut sind: Führe sie zu Jesus, damit ER sie heile, befreie und heilige.
Du unsere Mutter und Königin, wir bitten dich:
Erflehe uns von Jesus die Gnade, immer unser Bestes zu tun, wie du mit jeder Gnade mitgewirkt hast;
allzeit bereit zu sein, wie du für die Botschaft des Engels offen warst;
mit Hingabe unserem Nächsten zu dienen, wie du zu Elisabeth geeilt bist.
Nimm unsere Weihe an und schließe uns in dein Herz. Wir wollen deine Kinder sein, die ganz dir gehören. Betrachte unsere Gruppen als dein Eigentum und lass Jesus immer mehr in unserer Mitte lebendig werden – zur Ehre Gottes und zum Zeugnis für die Menschen. Amen.

( Erschienen in PM 153 4-2020, S. 8 – 11)

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