Ein Vortrag von Alexander Waxenberger an junge Erwachsene auf dem Landestreffen Bayern
Wahrscheinlich hast du dir diese Frage – zumindest im Kopf – auch schon einmal gestellt oder diese als Antwort erhalten, als du jemanden um einen Dienst oder eine Unterstützung angefragt hast. Vielleicht hast du auch schon beobachtet, dass das Phänomen des „Sich-Drücken-Wollens“ gerade unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen unserer Gesellschaft in den letzten Jahren stark zunimmt. Im Mittelpunkt steht die Selbstverwirklichung, im Beruf und mittlerweile vor allem auch in der Freizeit. Verantwortung zu übernehmen und auch der Dienst am Nächsten geraten immer weiter in den Hintergrund, weil es sowohl zeitlichen Aufwand als auch das Zurückstellen der eigenen Interessen oder der eigenen Person bedeutet. Das Fatale daran ist, dass soziale Strukturen, die Kultur und die Werte in einer Gesellschaft verloren gehen, ohne Menschen, die Verantwortung übernehmen. Es ist also an der Zeit wieder umzudenken, das Chillen zu beenden und das Leben wieder in die Hand zu nehmen.
Charakterformung durch die Übernahme von Verantwortung
Verantwortung übernehmen spielt im Leben des Pfadfinders eine zentrale Rolle. Es ist neben den Erprobungen und Wettkämpfen, die ihm helfen die eigenen Talente zu entdecken und zu fördern, das zentrale Hilfsmittel zur Charakterbildung. Das Gesetz der Pfadfinder und der Wahlspruch geben dazu den entsprechenden Rahmen. Die Formung des Charakters und der Persönlichkeit sowie der Dienst am Nächsten sind zwei der fünf Hauptziele der pfadfinderischen Erziehung. Ein guter Charakter wird durch das kontinuierliche Ankämpfen gegen schlechte Eigenschaften und dem gleichzeitigen Stärken seiner positiven Fähigkeiten ausgeprägt. Durch die Übernahme von Verantwortung in einer Gruppe wird der Fokus weg vom Ich, hin zum Du erweitert. Die Kinder und Jugendlichen lernen zwei Dimensionen von Verantwortung kennen, die Verantwortung für sich selbst und auch die Verantwortung in der Gruppe.
Verantwortung im Leben des Pfadfinders
Der Umfang der Verantwortung ist dem Alter und der Reife der Kinder und Jugendlichen angepasst. Beispielsweise kümmert sich jeder Wölfling auf dem Lager selbst darum, dass sein Rucksack ordentlich gepackt ist, während der Rudelführer (Anführer der Kleingruppe bei den Wölfingen) schon Verantwortung übernimmt, dass alle Kinder pünktlich und vollständig zum Mittagessen kommen. In der Pfadfinder-Stufe ist die Verantwortung bereits umfangreicher. Die Gildenführerin bzw. der Sippenführer sorgen dafür, dass die Mahlzeiten zusammen zubereitet werden oder dass alle Pfadfinder auf der Wanderung gut mitkommen. In der Raider-Zeit (Altersstufe: >17 Jahre) ist die Ausbildung des Charakters zweigeteilt. Hier liegt der Blick einerseits auf der persönlichen Entwicklung und andererseits auf dem Dienst am Nächsten. Als Raider übernimmst du im Erwachsenwerden Verantwortung für dich selbst. Du versuchst deine Schwächen zu überwinden und arbeitest konsequent an deinen Stärken, dabei wirst du von einem Paten unterstützt. Daneben bieten sich dir Hilfsmittel wie die regelmäßige Zeit der Stille / des Gebets und eine Gewissenserforschung an. In den Bereich der persönlichen Entwicklung fällt ebenso die persönliche Weiterbildung. Es ist sinnvoll, dass du als junger Raider, zum Beispiel auf den Assistenten- und Meisterkursen deine Fähigkeiten ausbaust und dich so auf
die Aufgaben, die sich dir in der Zukunft stellen, vorbereitest.
Der zweite Schritt ist die Übernahme von Verantwortung im Dienst am Nächsten. Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Oftmals bietet sich die Übernahme einer Pfadfindergruppe vor Ort oder eine Aufgabe in der Landes- oder Bundesführung an. Das Übernehmen von Verantwortung ist aber keinesfalls auf die Gruppen in der KPE limitiert. Ganz im Gegenteil, unsere Gesellschaft und unsere Kirche brauchen dringend Menschen, die Verantwortung übernehmen. Tatsächlich braucht es nicht viel: starte eine Kommuniongruppe und erzähl den Kindern von Jesus, der zu ihnen kommt. Wenn dir Jugendliche besser liegen, übernehme das Amt des Firmhelfers und zeige den Firmlingen, wie sie konkret im Heiligen Geist leben können bzw. wie du das machst. Falls es in deiner Pfarrei aber schon zu viele Kommunion- und Firmhelfer gibt, dann starte einen Gebetskreis (auch privat) oder gestalte eine Anbetung. Für all das musst du definitiv kein Theologe sein. Alles was du brauchst ist der Mut, aufzustehen und Verantwortung in deinem Leben zu übernehmen. Du kannst vor Ort etwas bewegen, wenn du dich überwindest und ganz nebenbei wirst du feststellen, dass du so deine Talente und Fähigkeiten noch weiter ausbauen kannst.
Kann wirklich jeder Verantwortung übernehmen?
Zunächst ist es wichtig, deine Trägheit zu überwinden. Du wirst tausend Ausreden finden, warum du jetzt keine Verantwortung übernehmen kannst. Jeder Mensch hat unterschiedliche Talente und es obliegt dir selbst, diese zu entfalten. Es ist dabei unwichtig, ob du der Assistent in der Meute bist oder der Wölflingsmeister, wichtig ist, dass du deinen Platz einnimmst. Konkret heißt das: Du siehst, wo Hilfe gebraucht wird, du stellst dein Ego zurück und man kann sich auf dich verlassen. Verantwortung übernehmen ist eine Grundsatzentscheidung, die Du selbst treffen musst. Bist Du wirklich bereit oder suchst du stets den einfacheren Weg und versuchst zu „chillen“?
Schließlich sollte man auch die Kehrseite betrachten. Jedes menschliche Handeln hat Konsequenzen: das „Nicht-Verantwortung-Übernehmen“ auch. Wenn du diese Grundsatzentscheidung für dich nicht getroffen hast, wirst du in deinem Leben nicht vorankommen. Dies ist vollkommen unabhängig davon, ob es um deine Ausbildung oder dein Studium, deine Familie, deine Jugendgruppe oder deine Karrierepläne geht, ohne die konkrete Übernahme von Verantwortung für Dich und für Andere, wirst du keinen Erfolg haben.
Wenn DU also in der Zukunft für eine Aufgabe gefragt wirst und es auf DICH persönlich ankommt, dann frage dich nicht „Oh Gott, warum ich?“, sondern erinnere dich an deinen Wahlspruch und SEI BEREIT! DU kannst nur was bewegen, wenn DU Verantwortung übernimmst!
(Erschienen in PM 138 4/2016, S. 10-11)
Wenn sie die KPE finanziell unterstützen möchten, so bitten wir um eine Überweisung auf unser Spendenkonto: IBAN DE92 5065 2124 0029 0005 93 BIC HELADEF1SLS oder klicken sie hier: