von Hans-Peter Reiner, SJM
Von Gründonnerstag bis zum Ostermorgen finden ‚seit KPE-Gedenken‘ in unserem Bundeszentrum in Rixfeld die Karexerzitien statt.
Seit unserem ersten Bundeskuraten P. Andreas bis heute sind diese Exerzitien ein besonderes Ereignis für die jungen Erwachsenen in unserem Bund. Ich würde sogar sagen: Sie sind das wichtigste spirituelle Angebot für die rote Stufe in der KPE. Warum? (a) Weil Exerzitien ganz besondere Zeiten sind, in denen man Geistiges neu und tiefer erfahren kann. Und (b), weil Ostern das alles bestimmende Fest im Kirchenjahr ist.
Schon als kleiner Ministrant waren die Kartage ganz wichtig für mich. Äußerlich erlebten wir eine besondere Zeit der Gemeinschaft. Da die Glocken in diesen Tagen verstummten – sie waren, wie man mir sagte, ‚nach Rom geflogen‘ – mussten wir Ministranten um 6:00, um 12:00 und um 18:00 Uhr mit unseren ‚Ratschen‘ an das Angelus-Gebet erinnern. Als Kleiner war man besonders stolz, wenn man da mitmachen durfte. Wichtiger noch war das innere Erleben der Kartage: Von Jahr zu Jahr wurde der Dienst bei den Liturgien an diesen heiligen Tagen immer prägender für mich. Geführt von unserem von allen Ministranten geliebten Herrn Pfarrer DDr. Ingo Dollinger wurden wir Buben durch unsern Dienst zu einem tieferen Erfahren der Bedeutung von Tod und Auferstehung Christi geführt. Der Ministrantendienst an diesen Tagen war mir heilig und heiligte mich. Tja, bis dann einmal P. Hönisch fragte, ob wir, die Raiderinnen und Raider von den beiden Alsmooser Stämmen, nicht auch auf Karexerzitien kommen wollten. Das Loslassen der mir sehr liebgewordenen Feier dieser Tage mit der Familie in der Pfarrei war mir nicht leicht. Auch unser Pfarrer trauerte: „Der P. Hönisch entführt unserer Pfarrei die engagierten Jugendlichen.“ Er ließ uns aber dennoch mit seinem Segen ziehen, denn er wusste besser als wir, wie segensreich Exerzitien sind.
Und so war es dann auch. Zwar fehlte das „Ratschen“, aber an dessen Stelle trat die erfüllte Stille der Exerzitien. Die passenden und ermutigenden Vorträge von P. Hönisch gaben viel Stoff zum Nachdenken. Der Ministrantendienst in der Kapelle war nicht mehr so aufwändig wie in der Pfarrkirche, dafür war das Herz bereit zu hören. Und in der Liturgie wurde das Herz noch mehr mitgenommen – hinein in den Gottesdienst der Kirche, in das geheimnisvolle Feiern der großen Mysterien unseres Glaubens. Auch vermisste ich die Gesänge unseres Kirchenchores. Dafür entdeckte ich mit 80 anderen Jugendlichen die Schönheit des Psalmengesanges in den Trauermetten und der gesungenen Passion. Um es kurz zu sagen, die Teilnahme an den Karexerzitien war für mich wie ein Quantensprung hinein in ein tieferes Verstehen von Ostern. Die Mittel, mir das zu ermöglichen, hätte es in meiner Pfarrei nicht gegeben. Erneuert und begeistert kehrte ich in meine Pfarrei zurück und ich hoffe, dass unser Herr Pfarrer das auch gemerkt hat.
Jetzt fragt sich der Leser vielleicht, warum ich das schreibe. Es ist doch klar, dass man auf Exerzitien mehr Geistliches erfahren kann wie im Alltag. Ja. Dennoch steckt hinter meinem Erleben mehr. Es ist eine Veranschaulichung für das Zusammenspiel von Struktur und Bewegung in der Kirche. In einer Zeit, in der viel von ‚neuen geistlichen Bewegungen‘ die Rede ist, lohnt es sich, diese Beziehung etwas besser zu verstehen. In der Kirche gibt es eine hierarchisch feste Struktur; ohne die kann es keine Kirche geben. Das ist: Papst und Weltkirche, Bischof und Diözese, Pfarrer und Pfarrei und als kleinste Einheit Eltern und katholische Familie. Dank dieser Struktur ist die Kirche sichtbar und fest verankert in der Welt. Die heiligen Päpste, Bischöfe, Priester und Eheleute veranschaulichen die Schönheit dieser Festigkeit in der Kirche. Als Kind habe ich den Glauben in dieser Struktur erfahren können. Dann gibt es in der Kirche auch wesentlich ‚Dynamik‘ oder Bewegungen. Diese Bewegungen bringen eine Ausweitung des Glaubens, sei es geographisch oder sei es durch eine tiefere Verinnerlichung. Die ‚Bewegung‘ bringt die Kirche ‚nach vorne‘. ‚Nach vorne‘ meint im Kontext des katholischen Glaubens, die Welt oder den Menschen näher zum wiederkehrenden Christus zu bringen. Heilige wie Paulus oder Franziskus sind große Figuren der Dynamik in der Kirche. Die katholische Jugend-Bewegung KPE brachte mich geistlich nach ‚vorne‘.
Festigkeit und Bewegung können nur miteinander in der Kirche sein. Das Zusammenspiel ist vergleichbar mit dem Gehen eines Menschen. Da ist immer ein Bein fest am Boden und das andere bewegt sich nach vorne. Wenn das Bein, das steht, keinen festen Halt hat, droht man zu fallen. Wenn das Bein, das sich bewegen soll, sich nicht rührt, dann geht nichts vorwärts. Je besser die beiden Beine koordiniert sind und je mehr Kraft in beiden Beinen steckt, umso höhere Gipfel kann man erreichen. So ist es auch mit der Mission der Kirche in dieser Welt. Wenn die Hierarchie fest ist und die Bewegungen stark sind, wird es uns auch heute gelingen, dem Missionsauftrag Christi zu entsprechen. Das Schöne in der Kirche ist, dass Festigkeit und Dynamik von dem einen Heiligen Geist kommen, der die Kirche eint.
Mehr als 25 Jahre sind vergangen, dass wir Pfadfinder zum ersten Mal die Karexerzitien besucht haben. Viele von uns haben bereits selbst eine Familie gegründet, manche dienen in der Kirche als Priester und/oder Ordensleute. Die Opfer der Eltern und Pfarrer für die ihnen Anvertrauten sind groß. Durch ihre Hingabe ermöglichen sie, dass es Stabilität in der Kirche gibt. Das ist eine unschätzbar große Gabe. Dazu sehe ich immer wieder begeisterte Menschen, die erneuert durch Exerzitien, Einkehrtag oder Jugendlager Schwung in die Kirche bringen. Beides gehört zusammen.
(Erschienen in PM 142 1-2018, S. 14-15)
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