von Pfarrer Pierre–Hervé Grosjean (Dezember 2007 – St. Augustin/Paris)
Eine 3-teilige Serie
Teil II
Drei Leitgedanken
Ein Freund von mir spricht gerne von drei Leitgedanken für das Wachsen einer Beziehung: Nicht zu früh, nicht zu schnell, nicht zu nah.
Nicht zu früh
Schon im Sandkasten kann man sich verlieben. Aber es gibt eine Zeit für alles. Ich möchte, dass ihr die Zeit der Freundschaften neu entdeckt. Heute wird diese Zeit übersprungen. Ein Mädchen wird mir sympathisch und sofort geht es los mit: „Kann ich nicht mit ihr etwas unternehmen, aufbauen und mit ihr eine Beziehung beginnen?“ Mal langsam! Nimmst du dir Zeit für eine Freundschaft, um jemanden kennenzulernen? Im erweiterten Freundeskreis, so dass du den anderen in aller Freiheit und unverzweckt kennenlernen kannst? Ist sie zuerst eine deiner guten Freundinnen, bevor sie später deine Braut wird? Die eheliche Liebe entsteht aus einer wahren Freundschaft, die eure Liebe prägen wird. Aus diesen Freundschaften, die ihr gelebt habt, werdet ihr euern Bräutigam, eure Braut erwählen. Nehmt euch die Zeit, diese Grundlagen aufzubauen!
Wenn man ein Haus baut, ist es mühsam, das Fundament zu legen, weil man gräbt und kein Ergebnis sieht; man würde gerne eine Wand sehen, ein Dach, ein Bett… Das Fundament zu legen, ist ein langwieriger Prozess. Zuerst in der Tiefe graben. Um die höchsten Mauern der Welt zu bauen, braucht es ein Fundament. Die Zeit der Freundschaft ist diese Grundlage.
Die Zeit der Freundschaften
Ich bin Gott jeden Tag dankbar, dass ich in euerm Alter ab 15 einen genialen Freundeskreis hatte, Mädchen und Jungs. Bei uns gab es eine unausgesprochene Regel: No Flirt! Auf diese Weise setzten wir uns nicht unter Druck. Wir ließen uns Zeit, um zuerst Freunde zu sein und echte Freundschaften zu leben. Und das war genial, weil wir viel unternehmen konnten. Die Eltern vertrauten uns, weil zwischen uns Freiheit vorhanden war, ohne immer prüfen zu müssen, ob jemand schaut, was ich gerade tue, ob mir jemand gefällt usw… Echte Freundschaften, die es uns ermöglichten, reifer zu werden.
Wie wollt ihr euer Leben jemandem anbieten, wenn ihr noch nicht reif seid. „Julia, ich liebe dich wirklich sehr“ – „Ok, … und was dann?“ – „Ja wirklich, ich möchte mein Leben mit dir teilen.“ – „ Spinnst du? Du bist 20 und wo ist dein Leben? Du bist im zweiten Jahr deines Jurastudiums, willst du mich auf den Arm nehmen? Du weißt noch nicht, was du aus deinem Leben machen möchtest, wir kennen uns seit 3 Wochen… ich bitte dich, es ist viel zu früh! Wenn du wirklich denken würdest, was du mir sagst, hättest du es mir nicht gesagt…“
Die Zeit der Freundschaft ist nicht leicht, weil ihr Mädchen manchmal reifer und bereiter seid, als wir Jungs. Die Zeit der Freundschaft respektiert die Entwicklung des anderen, sie stellt den anderen nicht zu früh vor eine Entscheidung, wenn er noch nicht bereit ist. Wie oft höre ich: „Herr Pfarrer, ich war mit ihm, mit ihr zusammen, weil ich Angst hatte, ihn zu verlieren. Er hatte mir gesagt, dass er mich liebt, und wenn ich ihm gesagt hätte: Nein, nicht jetzt. Später, ich bin noch nicht bereit… Dann hätte ich Angst gehabt, ihn zu verlieren.“ „Herr Pfarrer, ich habe ihr meine Liebe gestanden, weil ich Angst hatte, dass sie mit jemand anderem geht.“ Was soll aus dieser beginnenden Beziehung werden, wenn sie auf der Angst gründet, ihn oder sie zu verlieren? Er gehört dir nicht, sie gehört dir nicht. Werde erst reif, lasse sie in Ruhe, nimm dir die Zeit, damit dein „Ja“ tragfähig wird.
Nicht zu schnell
Nicht zu früh, nicht zu schnell. Unsere Generation lebt im Sofort. Alles sofort! Ich werde panisch, wenn ich meine Mails nicht lesen kann. Deshalb habe ich mir so ein Smartphone gekauft. Aber die Haltung ist nicht gut. Und ich bin genervt, wenn mein Gegenüber nicht in der nächsten Viertelstunde auf meine Mail antwortet. Alles sofort!
Es gibt Leute, die sich ihre Liebe per SMS gestehen. „Liebst du mich?“ – und der andere hat drei Sekunden Zeit, um zu antworten. Mit kleinen Smileys … Schauerlich. Es gibt Leute, die per SMS Schluss machen: „Hey, sorry, glaube, dass es so zwischen uns nicht mehr so, na ja… man sieht sich, gell?“ Man gibt der Zeit keine Chance. „Herr Pfarrer, ich hab bei der letzten Party ein Mädchen kennengelernt. Wir haben uns wiedergesehen und ich glaube, es ist mehr als nur Freundschaft.“ – „ Willst du mich veräppeln? Um ein echter Freund zu sein, braucht es mindestens ein Jahr. Und bei dir ist es nach drei Tagen schon keine Freundschaft mehr, sondern Liebe? Du spinnst.“ Meine Damen, wenn während eines Festes jemand zu euch kommt oder während zwei, drei Tage, die ihr mit Freunden verbracht habt, und sagt: „Ich glaube, dass ich etwas für dich empfinde, ich würde echt gerne etwas mit dir aufbauen.“ Lächerlich! „Du respektierst mich so wenig, dass du nach drei Tagen zu mir kommst? Du kennst mich noch nicht mal…“
Das Problem ist, dass man leicht zusammenkommt. „Und wann verlobst du dich?“ – „Herr Pfarrer, das meinen sie nicht ernst? Ich bin 20 und werde mich jetzt noch nicht verloben. Ich bin im fünften Semester, unmöglich! Und sie probiert im vierten Anlauf ihr Abi. Wir können uns jetzt nicht verloben. Frühestens in 5 Jahren.“ Aber was bedeutet das dann? Man bleibt bei einer gemütlichen Liebelei, aber man hat keine Perspektive, die einen Fortschritte machen lässt. Man bleibt bei einem sentimentalen Flirt, um zu sehen, ob es klappt.
Wir sind nicht für Kleines gemacht, sondern für Großes. Etwas Großes braucht aber Zeit. 17 oder 20 ist das Alter der Freundeskreise, mit großem Herzen und offenen Augen.
Was also tun? Du bist verliebt? Genial! Bewahre es tief in deinem Herz, behüte es und warte. Lass es reifen. Wenn du nach drei Monaten merkst, dass du nichts mehr empfindest, dann sei froh, dass du nichts gesagt hast. Und wenn es nach 6 Monaten, nach einem Jahr immer noch da ist, dann ist es vielleicht tatsächlich diejenige, die du erwählen könntest. Gerade hat mir einer eine SMS geschickt: „So, ich hab’s ihr gesagt!“ Er ist 30, hat eine Arbeit, und ist seit einem Jahr in sie verliebt – ein Jahr. Er wollte vorher Exerzitien machen und es mit einem Priester besprechen. Er sagte: „Herr Pfarrer, an dem Tag, an dem ich es ihr sage, möchte ich, dass sie spürt, dass ich gleichzeitig bereit bin, ihr mein Leben zu versprechen. Dass sie spürt, dass es etwas Tragfähiges ist. Damit sie für ihren Teil die richtige Entscheidung trifft. Ich möchte nicht, dass sie sich vorstellt, dass es in 6 Monaten wieder vorbei sein kann.“ Hut ab. Stellt euch die junge Frau vor. Sie spürt, dass diese Erklärung Gewicht hat.
Lernen, frei zu werden
Nicht zu schnell – nur so kann man lernen, frei zu bleiben oder frei zu werden. Frei, zuerst gegenüber sich selbst. Wir selber haben Mühe, frei gegenüber unseren Instinkten, unseren Wünschen, unseren Sehnsüchten in der Liebe zu sein. „Herr Pfarrer, ich hab’s nicht ausgehalten, ich hab’s ihr gesagt. Ich bin schwach geworden!“ Genau das ist das Problem. Oft genug schafft man es nicht, dicht zu halten. Es braucht Zeit, diese innere Freiheit zu erlangen. Ich empfinde etwas für jemanden – aber ich bin frei, ich stelle es erst mal zurück und lasse es reifen. Es ist nicht einfach, meinen Gefühlen gegenüber frei zu sein und auch „Nein“ sagen zu können – damit ich eines Tages das „Ja“ zur großen Liebe sagen kann. Diejenigen, die mit 15 oder 20 nicht gelernt haben, „Nein“ zu sagen, werden es auch mit 30 nicht schaffen, wenn ihnen eine Praktikantin schöne Augen macht… „Nein“ sagen lernen, um wirklich „Ja“ sagen zu können. Schaut euch die Schwierigkeiten an, die wir haben, frei zu bleiben – von allen Versuchungen, die ein Fest mit sich bringt, auch was den Alkohol betrifft. Ein Typ, der ein Glas zu viel nicht ablehnen kann, würde für mich als Mädchen nicht in Betracht kommen. Weil er nicht vertrauenserweckend ist. Werde frei, von dem, was die Anderen denken.
Man lernt sich bei der Hochzeit des Cousins kennen, sitzt zufällig am selben Tisch. Prompt hat man die Telefonnummern ausgetauscht, dann am nächsten Tag telefoniert, am übernächsten gechattet, am überübernächsten Tag einen Kaffee getrunken, um sich am Ende der Woche die Liebe zu gestehen. Weit gefehlt! Ein Kuss, dann mehr, und schnell bis aufs Ganze. In einigen Tagen, in einigen Wochen, hat man Zeichen gesetzt und ist sehr starke Bindungen eingegangen. Aber viel zu schnell.
Ich erinnere mich an eine junge Frau, die gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht hatte, weil sie sich über den Sommer untreu geworden waren. Sie waren seit 4 Jahren zusammen gewesen, sie war am Anfang 17 gewesen und sagte mir: „Nach dieser Ohrfeige habe ich gemerkt, dass wir uns nie füreinander entschieden hatten. Wir waren damals 2 oder 3 Monate verliebt, sind dann zusammen gekommen und sehr weit gegangen, Gefühlsrausch, mit allem was dazugehört.“ Oder besser: mit allem, was nicht dazugehören sollte. Sie sind zusammen geblieben, ohne sich wirklich dafür zu entscheiden, und wenn man sich einmal eingerichtet hat, wird man von der Angst getrieben, den Anderen zu verlieren. Man ist nicht mehr frei, klar zu sehen. „Doch, doch, Herr Pfarrer, ich bin sehr frei, ich liebe sie um ihrer selbst willen, das ist kein Problem. Natürlich küssen wir uns, aber darum geht es wirklich nicht.“ – „Echt? Ok: Dann lass es mal einen Monat.“ – „Was??“ „Küsse sie einen Monat nicht!“ – „Das soll doch ein Witz sein! Das ist hart!“ – „Machst du Witze? Bist du frei oder nicht? Wenn es tatsächlich nicht diese Gesten der Zärtlichkeit sind, die dein Herz eingefangen haben, wenn es nicht dein Körper ist, sondern dein Herz, das entscheidet, dann zeig es mir!“ Es ist ein radikaler Test.
„Herr Pfarrer, er möchte mit mir zusammen sein.“ – „Sehr gut. Sag ihm, ein Jahr zu warten.“ – „Das geht nicht, er wird denken, dass ich verrückt bin.“ – „Ok, das heißt, dass er dich nicht liebt. Er denkt vielmehr, dass du verrückt bist. Er liebt dich nicht.“
„Herr Pfarrer, er möchte, dass wir weiter gehen.“ „Mein Fräulein, wenn dieser junge Mann irgendetwas von dir möchte, obwohl ihr noch nicht verheiratet seid, dann hat er nichts verstanden. Er sieht etwas als gegeben an, was ein Geschenk ist, er ist noch nicht reif. Er liebt dich nicht.“
„Herr Pfarrer, sie würde gerne… Sie hat mir gesagt, dass sie mich liebt, sie denkt, ich sei der Mann ihres Lebens.“ – „Sehr gut. Schlag ihr eine echte Freundschaft vor. Prüfe, ob sie warten kann. Liebt sie dich wirklich? Dann soll sie auf dich warten, dir Zeit lassen. Wenn du in deinem Herzen spürst, dass du noch nicht bereit bist, dann täusche ihr nichts vor, habe keine Angst, dass sie dir wegläuft. Wenn sie mit einem Anderen geht, ist sie nicht bereit, zu warten. Sie liebt dich nicht! Glücklicherweise hast du nicht ja gesagt. Lass dir Zeit, und bitte sie, diese Zeit, die du brauchst, zu respektieren!“
Man schafft starke Bindungen, die jegliche Unterscheidung verhindern. „Siehst du sie oft?“ – „Äh, ja ziemlich oft“ – „Zwei Mal pro Woche?“ – „Ja und… wir chatten auch ziemlich oft.“ Es gibt auch diejenigen, die in der gleichen Klasse sitzen, um 17:00 Uhr ist der Unterricht zu Ende, und um 17:15 Uhr chatten sie schon. Und um 20:00 Uhr fängt die Flatrate an, eine Stunde am Telefon… eine Stunde am Tag! Nicht mit 18. Auch später nicht eine Stunde am Tag. Was ist das? Kleber! Sie erstickt dich, du erstickst sie. Sie ist noch nicht dein ganzes Leben. Das kommt noch, aber nicht auf diese Art.
Wie möchtest du den Abstand haben, um die Dinge ruhig anzusehen, um durchzuatmen, um nachzudenken?
Das andere Kriterium, das die Freiheit betrifft, ist Diskretion. Ich erzähle euch eine Geschichte: Ich habe in meiner Pfarrei, der Kathedrale St. Louis, den Weltjugendtag in Köln organisiert, mit einem anderen Pfarrer aus der anderen großen Pfarrei aus Versailles. Wir waren also zwei Priester für 670 Jugendliche. Wir sollten Busse zusammenstellen und sagten uns: „Wir sind nett, wir teilen sie nach Freundeskreisen auf.“ Per Internet gaben wir bekannt, dass man uns die Listen der Freundeskreise zukommen lassen könne. Die Listen sind da und wir stellen die Busse zusammen. In einem Bus zwei bis drei Gruppen. Dann hängen wir sie aus.
Erster Anruf: „Herr Pfarrer, ich habe die Liste gesehen, da gibt es ein Problem. Ich bin mit Martin zusammen, und Martin hat mit Tiphanie Schluss gemacht. Aber sie haben Tiphanie in den gleichen Bus eingeteilt. Das wird nicht möglich sein… und so. Ich dagegen kenne sehr gut Marie-Amelie, die in einem anderen Bus ist. Könnten nicht Marie-Amelie und Tiphanie tauschen?“ Dem Ersten hör ich zu. Ok. Es gab zig solcher Anrufe. Jeder war der Ex von irgendjemand. Wo bleibt da die Freiheit? Wenn ich nicht 5 Tage ohne die Aktuelle verbringen kann, wo ist da Freiheit?
Wenn mir jemand sagt: „Herr Pfarrer, ich war mit ihm zusammen, weil mir alle sagten, dass ich zu ihm passe, da hab ich halt nachgegeben.“ Tolle Wahl… Das ist das Drama.
Ist deine Wahl etwas, was du aufgebaut hast? Im Geheimen deines Herzens? Ist es DAS Geheimnis deines Lebens? Oder ist es die Sache, über die man in der Öffentlichkeit spricht?
Ich gebe euch ein Kriterium: Eure Freunde sollten überrascht sein, am Tag, an dem ihr eure Verlobung verkündet. „Ich verlobe mich morgen“ – „Oh, mit wem?“ – „Mit Martin.“ – „Was! Wir haben gar nichts bemerkt!“
Aber das ist es ja gerade. Die Verlobung ist die öffentliche Bekanntmachung. „So, mit Freude möchte ich all denen, die mir wichtig sind, sagen, was ich seit langem in meinem Herzen vorbereitet habe.“
Nicht zu nah
Und schließlich: Nicht zu nah, „nah“ im Sinne der Nähe. Ich möchte, dass man auf die Gesten aufpasst, die verpflichten. Es ist nicht belanglos, ein Mädchen zu küssen, einen jungen Mann zu küssen, selbst wenn es üblich ist. Selbst, wenn ihr denkt, frei und leicht mit jemand zusammen sein zu können, seid ihr nie sicher, was im Herzen des Anderen vorgeht. Und wenn ich das vom Kuss sage, um wie viel mehr gilt das für ausgetauschte Zärtlichkeiten, bis hin zur körperlichen Ganzhingabe. Es ist nicht bedeutungslos, selbst wenn man es oft macht. Ihr habt nie in der Hand, was im Anderen und in seinem Herzen vor sich geht. „Herr Pfarrer, wenn ich sie küsse… dann heißt das, dass ich sie halt recht gerne mag, aber ich bin weder verheiratet, noch verlobt.“ – „Herr Pfarrer, wenn ich ihn küsse, gebe ich meine Lippen zum Küssen, und das heißt mein ganzes Herz. Für mich gibt es da keinen Unterschied…“ Seht ihr das Problem? „Aber Herr Pfarrer, er hat mich angelogen.“ „Nein, hat er nicht. Für ihn hatte es einfach nicht dasselbe bedeutet, wie für dich. Er hat es leichtfertig gemacht, ohne zu merken, dass du mit deinen Lippen alles gegeben hast.“
Vorsicht vor den Verletzungen, weil diese Gesten nicht gleichermaßen erlebt werden. Vor allem am Anfang sind sie durch Egoismus geprägt. Ich erinnere mich an einen Verlobten, 28, drei Monate vor der Hochzeit, er lebte in echter Keuschheit, und eines Tages kommen beide zu mir und er sagte: „Herr Pfarrer, mir ist bewusst geworden, dass meine Art, meine Braut zu küssen, noch nicht ganz wahrhaftig war, ich war noch egoistisch und deswegen hab ich mich entschieden, aufzupassen.“
28 Jahre alt der Typ! Nicht 18, sondern 28! Drei Monate vor der Hochzeit, nachdem er noch nie mit seiner Verlobten geschlafen hat, hätte er sich auch sagen können, „So, jetzt lass es gut sein, ich hab genug getan.“ Ihr seht die Feinfühligkeit der Liebe: er wollte wahrhaftig sein, bis ins letzte Detail. Stellt Euch vor, wie sehr seine Braut berührt gewesen sein muss, als sie sah, wie weit der Respekt ihres Verlobten ging.
Achtung: Nicht zu nah, weil ich kein Anrecht auf den Anderen habe. Solange der andere mir am Tag der Hochzeit nicht gesagt hat: „Ich erwähle dich, ich schenke mich dir und ich empfange dich“, solange habe ich kein Anrecht auf ihn, auf sie. Ich kann nicht meine Hand „nur mal so“ auflegen, ohne ein Versprechen. Vorsicht, dass man nicht zu schnell in das Geheimnis des Anderen eindringt. Nur mit Samthandschuhen. Hier ist höchste Klugheit geboten. Was ist Klugheit? Sie besteht in der Feinfühligkeit der Liebe, mit der man dem anderen diese Keuschheit erleichtert. Nicht auf dem Bettvorleger sagt man „Halt!“, sondern auf dem Fußabstreifer vor der Haustür. Nicht im Feuer des Gefechts sagt man „Halt“, sondern vorher. Schon im Voraus sagt man sich, welche Spielregel man wählt, um nicht zu schnell zu sein, um dem Anderen nicht zu nahe zu kommen, um dem Anderen nicht zu schaden. Ich möchte das Risiko eines Schadens nicht eingehen und darum werde ich sie nicht „nur mal so“ küssen. Wichtig ist die Demut, sich einzugestehen, dass man so schwach ist wie alle anderen. Dann wird man am Hochzeitstag mit Freuden sagen können: „Weißt du, unabhängig davon, wie meine Vergangenheit ausgesehen hat, habe ich ab dem Moment, als mir das alles bewusst wurde, alle Umarmungen und alles mehr, die sich mir darboten, für dich aufgespart, um sie dir zu schenken, um nicht mit leeren Händen dazustehen.“
Meine Freunde, ich zähle auf euch, um die Keuschheit wieder neu zum Trend werden zu lassen. Nicht diejenigen werden bewundert, die eine große Abschussliste vorweisen können; nicht diejenigen, die bei Festen leichte Erfolge gefeiert haben. Sondern es sind diejenigen, die „Nein!“ sagen können; die genug lieben, um „Nein“ zu sagen, weil sie eines Tages „Ja“ sagen wollen. Und ihr „Ja“ wird gestärkt sein durch jedes „Nein“, zu dem sie sich zuvor durchgerungen haben. Die sind bewundernswerte, echte Freunde, die man sich als Vorbild nehmen muss.
(Erschienen in PM 136 2-2016, S. 14-16)
Link zum dritten Teil der Serie.
Link zum ersten Teil der Serie.
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