von Pfarrer Pierre–Hervé Grosjean (Dezember 2007 – St. Augustin/Paris)
Eine 3-teilige Serie
Zwei Vorbemerkungen
Als Vorwarnung: Ich werde sehr offen sprechen und bei diesem Thema kann Offenheit manchmal wehtun. Ich kenne nicht die Geschichte eines jedes von euch, aber ich kann nicht anders als ehrlich sprechen. Erstens, weil es sonst langweilig werden würde, und zweitens, weil ich einen Studenten nicht vergessen kann: Er war 20 oder 21 Jahre alt; ich hatte diesen Vortrag vor Studenten gehalten, und am Ende kam er zu mir und hat mir gesagt: „Ich habe sechs Jahre Reli-Unterricht genossen – warum hat man mir das nie vorher gesagt? Es hätte mir viel Leid erspart.“ Er hatte in der Tat alles durchgemacht. Wenn das Herz eines Priesters so etwas von einem jungen Menschen hört, lässt ihn das nicht kalt. Für mich als Priester ist es die größte Sorge, eines Tages einem Jugendlichen zu begegnen, der mir entgegenhält: „Ich hatte Sie als Seelsorger, ich habe Vorträge von Ihnen gehört und Sie haben es mir nicht gesagt. Warum haben Sie es mir nicht gesagt?“ Und deshalb erlaube ich mir, mit euch heute Klartext zu reden.
Zwei Missverständnisse
In den Köpfen vieler Menschen schwirren zwei Missverständnisse herum, auch bei vielen Katholiken. Das erste Missverständnis: Die Moral der Kirche bestehe nur aus einer langen Liste von Verboten. Fragt mal einen Mitschüler oder Kommilitonen: „Was zeichnet in Fragen der Moral einen Katholiken aus?“ 90 Prozent der Antworten werden lauten: „Jemand, der keinen Sex vor der Ehe hat.“ Das ist so ungefähr das Einzige, was man gesagt bekommt. Hier wäre zu antworten: „Nein, das sind nicht die echten Katholiken; deren Sichtweise von kirchlicher Moral reicht viel weiter.“ Dazu zitiere ich gerne einen Pfadfinder, der mir am Ende dieses Vortrages folgende Frage stellte: „Wie weit kann ich gehen, ohne dass es Sünde ist?“ Dazu kann ich nur sagen: „Du hast nichts verstanden, mein Armer!“ Die Frage zeigt, was in den Köpfen vieler Katholiken umgeht: Dass nämlich die katholische Moral eine gelbe Linie vorgibt, mit der man versucht zu flirten und die man früher oder später übertreten wird. Denn eine Moral, die nur negativ ist, eine Moral, die nur eine Liste von Verboten darstellt, ist traurig und langweilig. Und hält nicht lange.
Das zweite Missverständnis, das in unseren Köpfen herumgeistert, lautet: „Die Kirche ist bei diesem Thema altmodisch.“ Wenn mich Familien zum Abendessen einladen, beobachte ich gerne die Kinder, vor allem, wenn ich die Jugendlichen nicht kenne. Sie sehen mich kommen und essen zusammen mit dem Priester, den die Eltern eingeladen haben.
Soweit so gut, und es ist schön zu spüren, wie sich der Jugendliche denkt: „Dieser Pfarrer ist wirklich nett.“ Unser Pfarrer, unser guter Pfarrer, wir mögen ihn, wir respektieren ihn… er ist so NETT. Aber das heißt, der Pfarrer ist sicher nicht der Erste, dem ihr von eurem Gefühlsleben erzählen werdet. Warum? Weil ihr unbewusst den Eindruck habt, dass das Einzige, was er euch sagen wird, lauten wird: „Hör auf mit dem Mist, das darfst du nicht, das ist Sünde.“ Es ist lustig, wenn jemand zu mir kommt und mir erklärt, er oder sie sei verliebt oder mehr, und bei diesem Geständnis fürchtet, gleich eine Strafpredigt zu hören. Aber eigentlich ist es schrecklich, denn es zeigt eine Angst vor dem, was mir die Kirche sagen könnte. Die Kirche könnte dagegen sein; sie ist nicht zeitgemäß. „Er kann sich ja nicht einmal vorstellen, was ich durchmache… im besten Fall erzählt er mir was über die Dreifaltigkeit. Ist ja gut, aber es ist nicht das, was ich wollte.“
Ich möchte euch verständlich machen, dass die Meinung der Kirche zu diesem Thema nicht altmodisch ist. Wenn es um Liebe geht, ist die erste Reaktion der Kirche: Es ist schön. Wie steht es in der Genesis, wenn es um die Liebe und um das Paar geht: „Und Gott sah, dass es gut war, sehr gut.“ Das heißt: Gott wollte diese Liebesfähigkeit. Die Fähigkeit, zu lieben, die ihr in euch habt, ist das Schönste, was euch Gott gegeben hat. Und deshalb kann die Kirche über diese Fähigkeit, zu lieben, nur staunen. Wenn jemand zu mir kommt und sagt: „Ich habe mich verliebt.“ Dann ist meine Reaktion: „Genial, das ist großartig! Es ist großartig, weil du dafür geschaffen wurdest. Du bist geschaffen worden, um zu lieben, um auf der Erde dieses von Angesicht zu Angesicht in der Liebe zu erfahren. Als Vorbereitung auf das Ewige, das du im Himmel leben wirst. Du bist nach dem Abbild Gottes geschaffen, um zu lieben.“ Nach dem Angesicht eines Gottes, der die Liebe ist.
Aber gleichzeitig lügt die Kirche nicht. Weil die Kirche euch liebt, lügt sie euch nicht an. Und deshalb sagt sie euch: „Das Schönste in dir ist die Liebe, aber ich möchte dir auch nichts vormachen, denn gleichzeitig ist die Liebe auch das Zerbrechlichste.“
Seit der Erbsünde ist dein Herz zerbrechlich geworden, deine Liebesfähigkeit ist zerbrechlich geworden, verletzbar. In diesem Bereich kannst du der glücklichste Mensch auf der Welt sein, aber auch der zutiefst Verletzte. Hier kannst du jemanden glücklich machen, aber auch die tiefsten Verletzungen verursachen, die manche nie mehr überwinden werden. Ja, sie ist also sehr groß und sehr zerbrechlich. Das Schönste in dir ist auch gleichzeitig das Zarteste. Und deshalb ist es tatsächlich schwierig geworden, in Wahrheit zu lieben. Nicht unmöglich, aber schwierig. Und was die Kirche dazu sagt, ist keine Lüge.
Alles was ich euch im Folgenden sagen werde, müsst ihr so verstehen: Die Lehre der Kirche hebt den Wert eurer Fähigkeit, zu lieben, hervor und beschützt sie gleichzeitig, um diese Fähigkeit in ihrer Schönheit zu erhalten. Deshalb ist meine Reaktion folgende, wenn jemand kommt und sagt: „Ich bin verliebt.“ „Sehr gut, genial! Du bist dafür gemacht. Aber ich werde dir helfen … du wirst anspruchsvoll sein müssen, um das in Wahrheit zu leben, um diese Liebesfähigkeit, die du bekommen hast, zu erhalten, sie in ihrer Schönheit zu erhalten, fähig zu sein, wirklich glücklich zu werden.“
Verliebt-Sein und Lieben
Zuerst möchte ich einen Unterschied klarstellen, den Unterschied zwischen „Verliebt-Sein“ und Lieben, und den Unterschied zwischen „es ehrlich meinen“ und „wahrhaftig sein“. Heute muss man es nur ehrlich meinen. Das einzige Kriterium für viele von uns, vor allem in unserer Generation, die besonders gefühlsbetont ist, lautet: „Solange man es ehrlich meint, ist alles gut!“ „Herr Pfarrer, ich denke ehrlich, dass…“ – „Mein armer Freund, es ist gleichgültig, was du denkst! Was mich interessiert: Ist es wahrhaftig? Mir ist egal, welche Bedeutung du dieser Geste beimisst, ich möchte die objektive Bedeutung dieser Geste wissen. Ich möchte wissen, wie wahr diese Geste ist. Nicht, was du ehrlich denkst, weil das nicht reicht! Weil ich jede Woche Jugendliche aufsammle, die richtig vor die Wand gefahren sind. Und dennoch hatten sie es ehrlich gemeint.“ „Herr Pfarrer, ich dachte, dass er mich liebt. Ich liebte sie ehrlich. Ich habe mich geirrt.“ Was ist der Unterschied zwischen Verliebt-Sein und Lieben?
Verliebt-Sein – ein Gefühl
Verliebt zu sein ist ein Gefühl. Was ist ein Gefühl? Etwas, das ich empfinde. Etwas, das einfach so, eines Tages entsteht. Ich habe übrigens keinen Einfluss darauf, wann und in wen ich mich verliebe. Es ist ein Gefühl, das mich plötzlich überkommt, eine Anziehung, eine Sehnsucht, die ich empfinde. Bei dieser Sehnsucht habe ich Verschiedenes bemerkt, vor allem, das sie wechselhaft ist. „Herr Pfarrer, es ist wunderbar, ich habe mich über beide Ohren verliebt. Sie heißt Marie-Eglantine. Ich bin ganz verrückt nach ihr“. – „Sehr gut. Aber… vor drei Wochen warst du auch schon hier, um mir zu sagen, dass du verrückt nach Marie-Hermance bist.“ – „Ah, nein, nein, das war vor drei Wochen, das ist lang her. Seit Samstagabend habe ich festgestellt, dass es Marie-Eglantine ist. Verrückt, oder?“ Verliebt-Sein? Normal! Das ist nachvollziehbar. Verliebt-Sein ist wie Achterbahn fahren, es geht auf und ab. Ich kann mich in meinem Leben sehr gut in mehrere Mädchen verlieben. Es gibt viele Mädchen, in die ich mich potentiell verlieben könnte. Man kann sich sehr gut drei Wochen nach der Hochzeit verlieben. In die Nachbarin. Lacht nicht, es kommt vor. Ein Priester kann sich auch verlieben. Danach wählt man die Mesnerinnen aus. Sie haben ein gewisses Alter, einen gewissen Stil…, so dass sich die Versuchungen in Grenzen halten.
Das Gefühl des Verliebtseins hat anfänglich egoistische Züge. Weil jeder von uns genauso das Bedürfnis hat, geliebt zu werden, wie zu lieben. „Herr Pfarrer, ich bin ganz begeistert von Charles-Edouard“ – „Sehr gut!“ – „und wir sind zusammen!“ – „Naja, und warum?“ – „Weil ich ihn liebe, liebe, liebe… Ich konnte nicht widerstehen, ich musste es ihm sagen.“ – „Und warum liebst du ihn?“ – „Weil ich mich in seiner Gegenwart super stark fühle, echt fröhlich, und so… Er hat mir echt geholfen, Louis zu vergessen… Und wenn ich dann in seinen Armen bin, hab ich wieder das Selbstvertrauen, das mir fehlte, dann fühle ich mich wieder sicher…“ – „Ok. Aber das ist super egoistisch! Das heißt, dass du ihn liebst, weil er dir etwas bringt. Du liebst ihn noch nicht um seiner selbst willen, sondern für das, was er dir bringt, und das ist normal, du bist verliebt. Du liebst ihn noch nicht; du bist verliebt. Er ist außergewöhnlich. Du liebst ihn so, wie du ihn dir erträumst, nicht so wie er ist.“ Das ist Verliebt-Sein.
Die Liebe
Glücklicherweise ist die Liebe ganz anders. Lieben ist ganz anders. Lieben ist eine Willensentscheidung; „Ich liebe dich“ heißt nicht nur „Ich sehne mich nach dir“, denn sehnen kann man sich nach vielem, sondern „Ich liebe dich“ heißt: „Ich erwähle dich. Von allen, in die ich mich verlieben könnte; von allen, in die ich mich verliebt habe, erwähle ich dich. Ich erwähle dich aus freier Entscheidung heraus, aus reifer Entscheidung, aus überlegter Entscheidung. Ich erwähle dich, wie du bist, mit deinen Fehlern, deinen Schwächen und deinen Schlagseiten. Ich erwähle dich um deiner selbst willen, nicht nur, damit du mir was bringst. Und ich erwähle dich klarerweise für immer!“
Soll sich mal einer trauen, zu sagen: „Ich erwähle dich für 3 drei Monate…“ Man kann sehr wohl für drei Monate, drei Wochen verliebt sein, verrückte Leidenschaft, und dann stellt man nach sechs Monaten fest, dass die Leidenschaft nachgelassen hat. „Ich erwähle dich“ hingegen ist für immer. Lieben ist eine freie Willensentscheidung. An euerm Hochzeitstag wird euch der Priester nicht fragen: „Seid ihr verliebt?“ Es ist ihm egal. Er geht davon aus, dann ist es doch einfacher. Er wird euch fragen: „WILLST DU?“ „JA, ICH WILL.“ Das ist das Eheversprechen. Es ist nicht: „Ja, ich fühle… super stark…“ Nein! „JA, ICH WILL!“
Warum? Weil ihr dem Anderen nicht versprechen könnt, immer in ihn verliebt zu sein. Es wird schwanken. Es wird Momente der verrückten Leidenschaft geben, dann wieder andere, in denen es schwieriger wird. Ihr werdet weniger für die Person verspüren. Aber ihr könnt versprechen, dass ihr ihn ein Leben lang lieben wollt. Das ist der Unterschied zwischen Verliebt-Sein und Lieben, und darum reicht es nicht, verliebt zu sein, um etwas aufzubauen. Es wird Zeit brauchen, um zur Liebesfähigkeit zu gelangen, zu dieser Entscheidung, und um diese Entscheidung vorzubereiten. Das braucht Zeit.
Man kann nach einem Abend nicht sagen „Ich liebe dich.“ Man kann nach fünf Tagen Weltjugendtag nicht sagen „Ich liebe dich.“ In dieser Hinsicht ist der Weltjugendtag eine Katastrophe! „Herr Pfarrer, wir kannten uns nicht, wir sind uns beim Weltjugendtag begegnet, es war sehr stark, der Abend mit dem Papst, ich war neben ihr, sie hielt die Kerze…“ Ich zitiere! „Wir haben zusammen den Rosenkranz gebetet, es war unglaublich stark, und so bin ich später mit ihr zusammengekommen.“ „Super… Wenn der Rosenkranz das bei dir ausgelöst hat, mein Alter…“ Wortwörtlich! „Aber Herr Pfarrer, nachdem wir den Rosenkranz zusammen gebetet haben, kann es doch nur gut sein, kann es nur von Gott gesegnet sein.“ Quatsch! Du bist über beide Ohren verliebt, dann löst der Rosenkranz zu zweit gezwungenermaßen Herzklopfen aus. Wenigstens verspürst du einmal etwas beim Beten, was beim Abendgebet nie vorkommt… Und du sagst „Ich liebe dich“, bist aber verliebt, das ist alles.“ Ich lache, aber ich höre es noch: „Herr Pfarrer, wir waren in Paray-le-monial (franz. Wallfahrtsort), beim Jugendforum, während der Anbetung, fällt ein Sonnenstrahl durchs Fenster. Auf sie, genau auf sie… Ich habe das als Zeichen aufgefasst und es ihr gesagt!“ Wortwörtlich! Mein Gott! Das reicht nicht… Es ist schön, ok. Es ist mir lieber, wie wenn es heißt: „Ich war feiern, hab sie gesehn, und dann sind wir abgestürzt…“ Ok, es ist frommer, aber es fehlt trotzdem was.
Vom „Ehrlich-gemeint“ zum „Handeln-in-Wahrheit“
An dieser Stelle möchte ich vom „Ehrlich-gemeint“ zur Wahrheit übergehen. Warum sind so viele auf dem Holzweg? Wie sieht es bei euren Freunden aus? Sie begnügen sich damit, verliebt zu sein, aber drücken durch ihre Worte und Gesten in Wirklichkeit viel mehr aus, nämlich „Ich liebe dich“. Dabei sind sie nur verliebt.
Und jetzt werde ich konkret: Wenn ihr Jungen ein Mädchen küsst, wenn ihr Mädchen einen Jungen küsst, was bedeutet das? Diese Geste ist schön, aber es reicht nicht, dass sie nur ehrlich gemeint ist. „Herr Pfarrer, aber wir, wir meinen es ehrlich.“ Ok. Aber das reicht nicht. Diese Geste ist schön, wenn sie wahrhaftig ist. Das heißt, wenn man ihr die Fülle ihrer Bedeutung gibt. Die Geste des Kusses heißt, dass man sich bereits hingibt. Man gibt sich noch nicht ganz hin, das ist dann die sexuelle Beziehung, aber es ist bereits die Verheißung einer Hingabe, es ist schon der erste Schritt zur Ganzhingabe. Der Beweis ist, dass es oft kurz danach zu einer Ganzhingabe führt. Es ist bereits eine Art, sich zu schenken.
Diese Geste also ist wahr, wenn ihr in euerm Herzen tatsächlich bereit seid, euch hinzugeben. Johannes Paul II sagte: „Die Gesten eures Körpers müssen die Sprache eures Herzens sein.“ Was ich nach außen zeige und was ich nach innen lebe, muss übereinstimmen. Was ist das Problem dabei? Ihr werdet mir sagen: „Herr Pfarrer, sie sind ein bisschen ein Idealist. Wir hatten also doch recht, als wir dachten, dass Sie ein bisschen abgehoben sind. Heute hat das nicht mehr diese Bedeutung! Heutzutage küsst man sich schon viel früher, das muss man verstehen!“ Genau, das ist doch das Drama! Heutzutage gewöhnt man sich daran, Zeichen zu setzen, ohne dass sie vollkommen wahr sind. So gewöhnt man sich leicht daran, Zeichen zu setzen, die nicht mehr alles zum Ausdruck bringen, was sie eigentlich bedeuten. Und so stumpfen nach und nach Gesten ab, und verlieren an Bedeutung. Das gleiche gilt für Worte. Man kann jemandem dem Satz „Ich liebe dich“ nur dann sagen, wenn man sich sicher ist, ihm auch sagen zu können, „Ich erwähle dich. Ich erwähle dich für immer.“ Oder aber seid ehrlich und sagt: „Ich liebe dich drei Monate lang.“ Man kann nicht sagen „Ich liebe dich“, wenn man in seinem Herzen nicht bereit ist, eine Entscheidung zu treffen. Das bedeutet also nicht, „Ich mag dich ganz gern“, oder „Ich mag dich, um zu sehen, ob es klappt.“
„Herr Pfarrer, wir sind zusammen.“ – „Gut, wie weit geht ihr?“ – „Wir küssen uns… im Moment noch.“ – „Ok. Was bedeutet es für dich?“ – „Na ja, das bedeutet, dass ich sie ganz gerne mag!“ – „Und was bedeutet es für sie?“ – „Ich weiß nicht… wir denken auch nicht ewig darüber nach, bevor wir uns küssen… es ist ein bisschen heikel.“ Ich sage: „Warte mal. In der Hitze des Gefechts, ok. Aber danach? Habt ihr euch nie die Frage gestellt, habt ihr nie überprüft, was das Küssen für jeden von euch bedeutet? Habt ihr nicht überprüft, ob es für euch beide das Gleiche bedeutet? Habt ihr nicht überprüft, ob ihr diesem Zeichen die gleiche Bedeutung beimesst? Das ist gefährlich, mein Freund! Denn genau so entstehen Verletzungen. Weil man nicht das Gleiche mit dem gleichen Zeichen meint.“ Und so entdeckt man, dass der Andere zutiefst verletzt ist, man selbst es aber schnell und leicht überwindet. Meine Freunde, hier sind wir beim Wesentlichen angekommen. Wenn ihr wirklich ein wahres Glück aufbauen wollt, dann verwendet diese Zeichen und Worte in ihrer ganzen Wahrheit.
Vermeiden ein verbrauchtes Herz zu haben
Um was geht es? Nicht darum, die Sünde zu vermeiden, es geht um viel mehr. Es geht darum, mit 25 Jahren kein verbrauchtes Herz zu haben. Was auf dem Spiel steht, ist zu wissen, was ihr eurer Braut gebt, wenn ihr sie küsst; eure Braut wird euch fragen, was es für euch bedeutet. „Ob es bedeutet, dass ich dich liebe?“ – „Aber ja!“ – „Aber du hast es schon gesagt, du hast es schon deiner Ex gesagt. Du hast es schon der davor gesagt. Du hast es schon 10-mal gesagt. Wie kann ich, deine Verlobte, dir noch glauben? Du hast es schon so oft gesagt. Du hast es schon so oft getan und es Anderen gesagt! Du hast es schon so leicht gesagt. Wie soll ich mich auf dieses Zeichen und dieses Wort stützen im Wissen, dass ich mich ein Leben lang auf dich verlassen kann? Auf was kann ich mich stützen? Wie kann ich mich darauf verlassen, dass ich nicht Eine von Vielen bin? Einer von Vielen?“
Darum geht es, seht ihr: Ich sehe Jungen und Mädchen mit 25, die sich tatsächlich leicht verschenkt haben, sich leicht geküsst haben, sich leicht ganz hingegeben haben. Oft, zu schnell, zu früh, und so haben sie mit 25 Jahren abgestumpfte Herzen und schaffen es nicht mehr, sich zu engagieren. Sie schaffen es nicht, weil sie nichts Neues zu geben haben, sie haben nichts, womit oder wodurch sie ihre Liebe bezeugen können. All diese Zeichen bedeuten nichts mehr, so oft haben sie sie schon eingesetzt. Genau das steht auf dem Spiel, ich möchte, dass ihr es versteht. Oft hat man mir gesagt: „Aber, Herr Pfarrer, das ist ja alles schön und gut. Bis ich 25 bin, tobe ich mich aus! Dann find ich schon eine, dann werde ich brav sein, einen Job haben, ich werde mich beruhigen und wir werden uns schön irgendwo niederlassen. Und dann werden wir (Ich bin sicher, dass ihr das alle wollt) ein beständiges, treues, etc. Paar sein.“ Selbst diejenigen, die die Sau rauslassen, die ihren Unsinn treiben, sagen mir nicht: „Wenn ich älter bin, werde ich heiraten und meine Frau alle 3 Wochen hintergehen!“ Nein! Sie sagen mir: „Wenn ich 25 bin, werde ich mich beruhigen, aufhören und brav sein.“ Aber das ist eine furchtbare Illusion. Denn ich werde euch sagen, und ich sehe es, wenn ich die Ehevorbereitung mit Verlobten mache, dass man mit 25 Jahren so ist, wie man die 10 Jahre davor gelebt hat. 15 bis 25 Jahre, von diesen 10 Jahren hängt euer ganzes Leben ab. Und ich kenne wenige Ausnahmen. Wenn ich Verlobte ankommen sehe, die sich auf die Ehe vorbereiten möchten, brauche ich ihnen nicht mehr viele Fragen zu stellen. Wenn ich sehe, wie sie sind, kann ich erraten, wie sie waren.
Ihr befindet euch in den zehn wichtigsten Jahren eures Lebens. Alles, was ihr aufbauen werdet, hängt davon ab, was ihr während dieser zehn Jahre lebt. Denkt nicht, dass ihr mit 25 Jahren die Fähigkeit der Treue zum Ehepartner aufbringen werdet. Und ich kann euch sagen, dass ich als Priester in der Beichte von jungen Ehepartnern 28, 29, 30 Jahre alt, drei Jahre verheiratet, Folgendes höre: „Herr Pfarrer, ich habe ihn/sie betrogen, Herr Pfarrer, ich habe mich geirrt.“ Verzweiflung. Und warum? Wenn man den Dingen auf den Grund geht: Weil man sich nicht vorbereitet hat. Man hat Spaß gehabt. Man hat nicht gelernt, Nein zu sagen, oder „Nicht jetzt“: Man hat nie den Unterschied gemacht, zwischen dem Gefühl des Verliebtseins und der Tatsache des Liebens. Ich denke da an ein junges Paar, das ich gut kenne, nach einem Ehejahr: Sie war über alle Ohren in den Kollegen im Büro verliebt: Da hat man tatsächlich eine große Sehnsucht nach einem Anderen, man hat sich angeschrien, Kälteeinbruch und so… der sympathische Kollege kommt, man empfindet eine Anziehung für den Anderen, man wundert sich und dann… Man hat nicht gelernt, Herr seiner Gefühle zu sein, man hat nicht gelernt, zu unterscheiden, zur Ruhe zu kommen und weil „ich mich zu ihm angezogen fühle, habe ich mich also im Anderen getäuscht. Deshalb…“ Aber Nein! Unsinn! Es kann sehr wohl passieren, dass man sich eben verliebt, dass man ein Verlangen verspürt… Aber man weiß, was man will! Man weiß, für wen man sich entschieden hat! Man weiß, wem man sein Wort gegeben hat. Und man weiß, dass man frei ist, auch den eigenen Gefühlen gegenüber! Wenn ich mich z.B. morgen verliebe, nicht in eine Relilehrerin, sondern in eine Theologiestudentin. Das kann sehr gut passieren, ein Verlangen zu haben, für den weiblichen Charme nicht unsensibel zu sein. Aber ich weiß, was ich will, ich bin frei, und werde deshalb diesem Gefühl nicht nachgeben. Ich habe gelernt mich zu beherrschen, für das, wofür ich mich entschieden habe und mich dafür aufzubewahren.
Seht ihr, darum geht es jetzt für euch! Man bereitet sich nicht mit 25 auf die Ehe vor, man beginnt damit mit 15 und hat zehn Jahre, um sich darauf vorzubereiten. Es ist nicht am Vorabend der Hochzeit, dass man sich sagt: „Ab jetzt bin ich ein guter Kerl, jetzt bin ich ein gutes Mädchen.“ Nein! Schaut euch die Sportler an, die sich auf die Olympiade vorbereiten. Das beeindruckt mich immer. Alle vier Jahre. Die Typen trainieren vier Jahre lang, sie stehen jeden Morgen auf, um zu trainieren, um sich vorzubereiten, sie werden leiden, um sich für EINEN Wettbewerb vorzubereiten, der alle vier Jahre stattfindet. Unglaublich. Sie sagen nicht am Vorabend des Wettkampfs: „Los, jetzt leg ich eine gute Leistung hin, alles klar, ich schaff das!“ Nein. Am Tag des Wettbewerbs haben sie vier Jahre harten Trainings hinter sich. Das Ergebnis von vier Jahren Mühe. Findet ihr nicht, dass eure Ehe genauso viel Einsatz verdient, wie ein Wettkampf? Das steht auf dem Spiel.
Die Liebe will vorbereitet sein. Vielleicht klingt es dumm, es euch zu sagen, aber die Liebe will vorbereitet sein. Die Liebe braucht eine lange und langsame Vorbereitung des Herzens. Sechs Monate braucht ihr, manchmal mehr, um den Führerschein zu bestehen. Erklärt mir, wie ihr mit einem Mädchen zusammen sein könnt, das ihr seit drei Monaten kennt. Es ist immerhin schwieriger, Lieben zu lernen als Auto zu fahren! Die Liebe will vorbereitet sein, damit ihr eines Tages mit Freude eurer Braut sagen könnt: „Weißt du, es war hart! Aber seit mehreren Jahren bereite ich in meinem Herzen dieses JA vor, und ich wollte es mir nicht zu leicht machen, um diesen Schritt einer wahren, einer wahrhaftigen Hingabe vorzubereiten.“
(Erschienen in PM 135 1-2016, S. 8-11)
Link zum zweiten Teil der Serie.
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