Glaube lenkt Autos

Ein Erfahrungsbericht vom Trampen in Norwegen

Auch unsere diesjährige Sommerfahrt nach Norwegen begann mit einer typischen Fahrtenaktion (mit Teilnehmern über 18 Jahre): dem Trampen. Wir strichen unsere Kluft gerade, zogen das Barett in die richtige Position und zauberten uns ein ordentliches Lächeln auf die Lippen.

So stellten wir uns an den Straßenrand, streckten den Daumen in die Höhe und warteten. Hunderte Autofahrer brausten an uns vorbei. Teils freundlich winkend, teils wild gestikulierend (was immer so viel bedeutet wie „Nur zu gerne würde ich Euch mitnehmen, aber mein Auto ist voll“ oder „Leider fahre ich überhaupt nicht weit; bloß um die Ecke.“), teils sahen wir in lachende Gesichter, die sich offenbar über uns amüsierten. Sei‘s drum. Zu zweit standen wir am Straßenrand, unsere Rucksäcke dezent im Hintergrund verborgen. Schließlich musste ja nicht von Beginn an erkennbar sein, dass es sich um einen Schwertransport handeln würde. Um ans Ziel zu kommen, muss eine Fahrt gezwungenermaßen oft in kleinere Abschnitte unterteilt werden. Zu Beginn unserer Tour mussten wir knapp 500 km trampen. Da erschien es eher unwahrscheinlich, mit einer einzigen Trampgelegenheit ans Ziel zu gelangen. Wir entschlossen uns, auf der Landstraße unser Glück zu versuchen. Vor dem Trampen beten wir oft ein Gesätzchen vom Rosenkranz (ohne dabei den Finger in die Höhe zu strecken). Natürlich ist das keine Garantie, aber eine gute Grundlage. Letztlich ist es unser Vertrauen auf Gott, der dafür Sorge tragen wird, dass wir es rechtzeitig ans Ziel schaffen werden. Das zeigen unsere Erfahrungen jedes Mal auf‘s Neue. Auch diesmal: Nach zwei kurzen Mitfahrgelegenheiten ist es eine Frau, die mit ihrem älteren Wagen hält und uns zu ihrem Hund auf die Rückbank ins Auto lädt. Schnell kommen wir ins Gespräch: Wer wir sind, was wir machen, was unsere Reisepläne sind und auch wo wir denn heute Nacht schlafen würden. Das Ziel war heute nicht mehr zu erreichen und das Zelt war aufgeteilt auf die sieben Trampgruppen. So blieb uns nichts anderes übrig, als ihr zu sagen, dass wir auf der Suche nach einem trockenen Unterschlupf wären. Auch die Frage, ob wir denn ein Abendessen dabeihätten, mussten wir verneinen. So telefonierte sie kurzerhand mit ihren Nachbarn und meldete uns dort als Übernachtungsgäste an. Bevor wir das Tagesziel erreichten, genossen wir die herrliche Aussicht auf zahlreiche Seen und Wälder. Wir bestaunten sogar ein Elchpaar, das am Wegesrand graste. Anschließend residierten wir die Nacht in einem typisch norwegischen Gästehaus, nachdem uns Sigrid und Claus mit Tee, Knäckebrot und Käse verwöhnt hatten. Dank ihrer guten Englischkenntnisse waren auch viele Gespräche über Gott und die Welt möglich. Nach einem reichhaltigen Frühstück und einer warmen Dusche, wurden wir an die nächstbeste Kreuzung gefahren, wo uns kurze Zeit später ein Jaguar-Fahrer einlud. Und auch hier zeigte sich Gottes Vorsehung: Der Ingenieur war am Morgen in Oslo gestartet und auf dem Weg zu einem Staudamm. Der kürzeste Weg wäre an und für sich über die Schnellstraße gegangen, die wir auf Grund unseres Übernachtungsangebotes jedoch verlassen mussten. So gab der junge Mann an, heute das Gefühl gehabt zu haben, diesen Weg nehmen zu müssen, da er schöner sei. Und es kam noch besser: Da alle kleineren Leihautos heute Morgen bereits vergeben waren, wurde ihm ein deutlich größeres zur Verfügung gestellt. Wenn das mal keine Vorsehung war. So konnten wir es uns in dem Luxuswagen ordentlich bequem machen und ein gutes Stück Weg bis zum Endpunkt zurücklegen. Diesen erreichten wir dann pünktlich und mit bester Laune. Während der Fahrt diskutierten wir ausführlich über unsere Tramperfahrungen und auch darüber, inwieweit der Glaube eine zentrale Rolle spielen würde: Wie war es zu rechtfertigen, dass einige vor dem Trampen intensiv beteten und dennoch lange Zeit nicht mitgenommen wurden? Wurden ihre Gebete etwa nicht erhört? Oder hatten sie einfach zu wenig Vertrauen? Jesus lehrt uns im Evangelium, dass der Glaube Berge versetzen kann. Dazu ist jedoch ein Glaube nötig, der nicht im Geringsten an der Erhörung zweifelt. „Alles, worum ihr betet und bittet – glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil.“ (Mk 11, 24). An die Erhörung glauben, so als hätten wir das Erbetene bereits erhalten! Ob wir das je wirklich schaffen können? Oder bleibt in unserem Herzen – wenn wir ganz ehrlich sind – nicht doch immer eine gute Portion Unsicherheit à la „vielleicht erhört er mich doch nicht…“ zurück? Zumindest beim Trampen ist es gar nicht so einfach, dieses Rest-Misstrauen zu überwinden. Dabei sollte es sich natürlich nicht um ein psychologisches „Einreden“ oder ein krampfhaftes Ausblenden aller anderen Möglichkeiten handeln. Beim Vertrauen geht es nicht um eine psychologische Übung, sondern um das kindliche Vertrauen gegenüber Gott, dass er als unser Vater im Himmel unser Leben ganz in der Hand hat, nur unser Bestes will und uns ganz, ganz sicher zu einem guten Ziel führen wird. Oft ist auch erst nach einiger Zeit erkennbar, warum das Trampen am Anfang diesmal nicht so funktionierte, wie erhofft. So ist es übrigens nicht bloß beim Trampen. In unserem gesamten Leben offenbart sich sehr häufig erst im Nachhinein, warum unser eigentlicher Plan oder unsere Bitten schlechter gewesen wären als die Realität. Nach unserer Wandertour ging es wieder zurück nach Oslo. Diesmal waren es ca. 300 km, die zurückgelegt werden mussten. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich einen sehr erfahrenen Tramper an meiner Seite, der ganz besondere Ansprüche stellte. In Norwegen fuhren nämlich allerlei Teslas durch die Gegend. Diese relativ neuen Wagen mit Elektroantrieb hatten es ihm offenbar angetan. Hatte er sogar darum gebetet, von einem aufgelesen zu werden? Mir ging es in erster Linie darum, rechtzeitig anzukommen. Wir postierten uns an einer guten Stelle und warteten. Wir warteten lange. Sehr lange. Irgendwann – es war bereits Mittagszeit – hielt tatsächlich ein Lehrerpaar, um uns einige Kilometer mitzunehmen. So hatten wir dann nach drei Stunden immerhin 15 Kilometer zurückgelegt…. Wenn das so weiter gehen würde…. Doch wir blieben voller Vertrauen. Am gleichen Abend ankommen würden wir sicherlich noch. So kochten wir erst einmal ein schmackhaftes Mittagessen, bevor wir uns wieder an den Straßenrand stellten. Nach 30 Minuten hielt eine äußerst interessante alte Dame. Margarete lud uns sehr gerne in ihren mit Lederausstattung versehenen Mercedes ein und plauderte munter darauf los. Irgendwie etwas zu munter… Jedenfalls wäre sie unterwegs zu einem Tanzfestival in Tokka und ein echter Fan von Volksmusik. Diese lief auch – stets von ihrer eigenen Stimme untermalt – im Radio. Auch sie brachte uns einige Kilometer dem Ziel näher. Trotzdem trennten uns, nach nun etwa fünf Stunden trampen, immer noch über 200 Kilometer von der norwegischen Hauptstadt. Ein pünktliches Ankommen schien schier unmöglich. Dazu standen wir noch an einem uneinsichtigen Kreisverkehr an einer kurvigen Straße mit Leitplanken. Keine guten Grundlagen für ein schnelles Weiterkommen. So mussten wir abermals einige Kilometer weiterlaufen, bis unverhofft (der Daumen wurde ohne jede Hoffnung beim Laufen lustlos in die Höhe gereckt) ein blauer Wagen langsamer fuhr, nachdem er uns überholt hatte. Es war: ein Tesla! Mein Tramppartner legte eine Geschwindigkeit an den Tag, die mich überraschte und die des Teslas nahezu übertraf. Zwei Minuten später saßen wir bei der sehr netten Mara im Wagen, bewunderten ihn und spürten die 700 Pferde unter der Haube! Alleine fahren konnte das Teil noch dazu, weshalb wir viele Gespräche mit unserer netten Fahrerin hatten. Dazu gab es beim halbstündigen Laden des Elektroautos ein kaltes Eis. Selbstverständlich fuhr uns Mara bis vors Gartentor des Dominikanerklosters in Oslo, sodass wir zwar einige Minuten später als vereinbart ankamen, aber wieder einmal eine außergewöhnliche Trampstory zu berichten hatten.

Um erfolgreich zu Trampen, sollte die Gebetsbereitschaft und das Gottvertrauen groß sein. Leider schaffen wir alle dabei keine 100%. Deshalb klappt es manchmal einfach nicht so gut und das Warten nimmt scheinbar kein Ende oder der vereinbarte Zielort wird nicht pünktlich erreicht. Aber auch dann können noch zahlreiche positive Aspekte des Trampens gesehen werden und die Gruppe wird einfach einen Tag später am Nottreffpunkt erreicht.

Insgesamt zeigt sich das Trampen für uns als eine gute Reiseart, da hierbei Land und Leute besser kennengelernt werden können. So erfahren wir häufig wertvolle Tipps, z.B. bezüglich sehenswerter Orte. Und manchmal springen – wie schon berichtet – Einladungen dabei heraus – sei es zu einem Eis oder auch einer netten Unterkunft mit Vollpension. Überraschungen sind immer willkommen. Zusätzlich können teils enorme Kosten gespart werden. Und ja, manchmal geht es sogar schneller als mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die es in entlegenen Gebieten meist gar nicht gibt. Auch Gespräche über den Glauben entstehen häufig. Die Kluft und unser Pfadfindersein bieten hierfür ein gutes Startthema. Und wenn der Moment passt, verschenken wir eine wundertätige Medaille und können unseren Glauben mutig vertreten. Oft berichten auch die Fahrer von ihren Gotteserfahrungen und ermutigen so auch uns, noch tiefer im Glauben verwurzelt zu sein. Trampen ist folglich ein Abenteuer, das unvergessliche Momente bereithält.

Trotzdem weisen wir darauf hin, dass das Trampen nicht unbedingt für jedermann und in jedem Land geeignet ist. Sicherheitsaspekte sollten unbedingt berücksichtigt werden und ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber Fremden ist unerlässlich! Eine gute Trampstrategie, Zuversicht und Gottvertrauen sind jedoch ein gutes Fundament für erfolgreiche Trampfahrten, wobei gilt: Glaube lenkt Autos. Vielleicht nächstes Mal direkt zu Dir…?

Weitere interessante Anekdoten unserer Tramphistorie: Trampen mit dem Reisebus in Israel, in einem italienischen Luxusgroßraumtaxi am römischen Flughafen oder in Bulgarien in einem Motorboot, das mitten auf einem See einen Motorschaden erlitt, Trampen mit der Polizei (oder war das eine kurzzeitige in Gewahrsamnahme?) in Israel singend und Gitarre spielend auf der Ladefläche eines Pickups…. Langweilig wird es beim Trampen selten.

(Erschienen in PM 141 3-2017, S. 22-23)

Wenn sie die KPE finanziell unterstützen möchten, so bitten wir um eine Überweisung auf unser Spendenkonto: IBAN DE92 5065 2124 0029 0005 93 BIC HELADEF1SLS oder klicken sie hier: